Das Dufour-Schulhaus / L' école Dufour
Top Secret - Bieler Gymnasiallehrer in geheimer Mission
Die Regierung hob wegen der politischen Umtriebe der Lehrerschaft 1836 das Gymnasium aus, denn einige davon beteiligten sich an Geheimbünden und trugen Decknamen. Wer verbarg sich wohl unter dem Decknamen «Robert» und was waren die Ursachen?
In den 1830ern war die Schweiz, wie die übrigen Nachbarländer, ein Land der Unruhen. Das im Mai 1832 stattgefundene Hambacher Fest, war, mit 30‘000 politisch
interessierten Menschen aller Bevölkerungsschichten, die wohl grösste Demonstration der deutschen liberalen und nationalen Bewegung. Sowohl die deutsche als auch die polnische Fahne wurden
aufgepflanzt. Unter den Anwesenden befanden sich Karl Mathy und Johann Philipp Becker. [15] Am 3. April 1833 fand der Frankfurter Putsch statt. In der
Schweiz am selben Tag die Totaltrennung der beiden Teile des alten Basel.
Die neue Schweiz des Wiener Kongresses war ein Staatenbund von 22 souveränen Kantonen. Eine schwerfällige Tagsatzung, eine wechselnde Regierung, stellten ihre zentralen Organe dar. Die kirchlichen Verhältnisse sorgten für Verwirrung. Als auf der Konferenz in Baden die Partei der Bewegung beschloss, dass die Kirche unter die Aufsicht des Staates gestellt, freie Nationalerziehung eingeführt und die Klöster zu gemeinnützigen Zwecken herangezogen werden sollten, brach ein Aufstand der katholischen Partei im Aargau. Die Regierung benutze die Gelegenheit, acht Klöster als Sammelplatz des Aufruhrs durch einen Beschluss des Grossen Rats für allgemeine Zwecke des Unterrichts und der Wohltätigkeit in Beschlag zu nehmen und trotz aller Proteste zu behalten. So spaltete sich die Schweiz in zwei Heerlager: in Radikale und Konservative. Die Julirevolution, die den Anstoss zu den schweizerischen Verfassungskämpfen gab, hatte auch in anderen Ländern Volksbewegungen und Aufstände hervorgerufen. Die monarchische Regierung, Österreich voran, schritten streng dagegen ein und halfen einander, die liberalen Bestrebungen niederzuhalten, ebenso der König von Frankreich Ludwig Philipp. Daher versammelten sich in der neutralen Schweiz immer mehr Flüchtlinge.[1]
Von jeher war es der Stolz des Schweizervolkes gewesen, allen politischen und religiösen Verbannten vieler Jahrhunderte im freien Alpenland ein gastfreies Asyl zu gewähren. Besonders die politischen Erhebungen in Deutschland, Italien und Polen zu Anfang der 30er Jahre wurden von der Schweiz mit Sympathie begrüsst. Im Asylrecht sahen die Eidgenossen immer das Zeichen ihrer Unabhängigkeit und nationalen Selbständigkeit. Als nach den missglückten Erhebungen der 30er Jahre in Deutschland die von der politischen Reaktion verfolgten Teilnehmer in die Schweiz flüchteten, wurden sie vom Schweizervolk als Märtyrer der Freiheit begrüsst. Die Schweiz nahm bedeutende deutsche Flüchtlinge in Hoch- und Volksschulen und in ihre Verwaltung auf.[14] 1832 empfing das Kadettenkorps vom Bieler Gymnasium die ersten polnischen Flüchtlinge, 1833 folgten ihnen 150 weitere.
Viele nutzten das Asylrecht, um Verschwörungen anzuzetteln und organisierten sich ab 1833 in revolutionären Vereinen. Ab diesem Zeitpunkt galt die Schweiz plötzlich
als «Herd der Verschwörung» und schon ein Jahr später sah sie sich gezwungen, eine grosse Anzahl Flüchtlinge wieder auszuweisen.[1]
«Eine Revolution ist eine Kriegserklärung auf Tod und Leben zwischen zwei
Weltanschauungen»
Giuseppe Mazzini, Freiheitskämpfer
Giuseppe Mazzini und «das Junge Italien»
In der Schweiz entfalteten Flüchtlinge ab 1833 eine rege politische Tätigkeit. Unter ihnen war Giuseppe Mazzini der bedeutendste und einflussreichste. Als junger Advokat und Journalist
erlebte er eine Zeit, in der Italien in 8 Staaten mit je eigener Sprache und Währung aufgeteilt wurde. Die Lombardei und Venedig waren eine österreichische Provinz. Besonders enttäuschte Mazzini,
dass Genua eine Selbständigkeit verlor und zu einer Provinz des Königreichs Sardinien degradiert wurde. Um das Land wieder zu vereinen wurde er 1827 Mitglied vom poltischen Geheimbund der
Carbonari und gründete 1831 «das Junge Italien». Ziel des Geheimbundes ist die Errichtung einer unabhängigen und einheitlichen Republik, die Abschaffung der kirchlichen Aristokratie, die
Förderung des Unterrichts und die Erklärung der Menschenrechte. Bald zählte der Bund über 50‘000 Mitglieder. Die Zeitschrift «La Giovine Italia» (1832-33), verbreitete sich trotz strengstem Verbot über die Alpen nach Piemont und
der Lombardei. Wegen eines Komplotts gegen den Herzog von Piemont und den König von Sardinien wurde Mazzini in Abwesenheit zum Tod verurteilt.
Mazzinis Zeitschrift «La Giovine Italia - Das Junge Italien» wurde in Italien gefürchtet und die Leser mit dem Tod bestraft oder verhaftet. Daher musste
der Revolutionär im Verborgenen agieren. Reproduktion aus «Life of Giuseppe Garibaldi, Italian Hero and Patriot», London 1888.
Giuseppe Mazzini in der Schweiz
Die Unterdrückung der Aufstände in
Mittelitalien hatten Giuseppe Mazzini nach Frankreich, schliesslich in die Schweiz gebracht. Seit dem Frühjahr 1834 verbarg sich Mazzini 13 Monate im Bachtelenbad Grenchen unter dem Namen
«Strozzi». Dieser Kurort, ganz in der Nähe Biels, bot der High Society einen angenehmen Aufenthalt, die sich austauschen konnte und neue Kontakte knüpfte. Nebst den bekannten Heilquellen verfügte
das Bachtelen über ein russisches Dampfbad. Es wurden Kuren von Kuh- und Ziegenmolken, sowie von Eselsmilch angeboten. Das Bachtelen wurde geführt vom Badewirt Josef Girard und dessen Sohn, der
Arzt Dr. Josef Girard. Zwei Liberale Grenchner, die Mazzini gerne unterstützten und in einem der 60 Zimmer wohnen liessen, während sich die Girard-Töchter liebevoll um den verborgenen Gast
kümmerten. Den Behörden war Mazzini offiziell unbekannt. Nur wenige der politischen Flüchtlinge wussten, wo er zu finden war und seine Vertrauten verstanden es hervorragend, ihn
«unsichtbar» zu machen. Zu ihnen gehörten seine
Gesinnungsgenossen, die Bieler Gymnasiallehrer Ernst Schüler und Karl Mathy. Seine Wirte im Kurhaus erzählten: Er arbeitete bis tief in die Nacht, er verlässt tagelang nicht das Zimmer, er lebte
von nichts als von schwarzem Kaffee und seinen Zigarren. Mazzini war eine kleine, schmale Gestalt, der einen Vollbart trug.»[2] Der italienische Freiheitskämpfer wurde mittlerweile von allen Seiten angegriffen und das Junge Italien hart
verfolgt.
Ein gemeinsames Europa der Nationen auf republikanische Grundlage
Am 15. April 1834 gründet er in Bern mit Flüchtlingen von Deutschland, Italien und Polen den Geheimbund «Junges Europa», die «Allianz der Unterdrückten».
Ausschnitt der 1834 von Giuseppe Mazzini mitunterzeichnete Verbrüderungsakte des «Jungen Europa».
«Die europäischen Nationen treten eine nach der anderen in die Verfassung ein,
wie Reisende die sich vereinigen um ihren Namen einzuschreiben»
Giuseppe Mazzini, Verbrüderung der Völker, 1832
Kampf um ein «Junges Europa»
Junges Europa nannte man in der Zeit
nach der Julirevolution die geheime Verbindung der republikanischen Partei angehörigen Flüchtlinge aus den verschiedenen europäischen Staaten, welche es sich zur Aufgabe gemacht hatten, die
Umgestaltung der bestehenden Verhältnisse in diesen einzelnen Staaten herbeizuführen. Dieselbe nahm ihren Ausgangspunkt vom «Jungen Italien (Giovine Italia)», das sich nach dem Misslingen der
Aufstände in Mittelitalien 1831 und 1832 unter Leitung Giuseppe Mazzini's aus den italienischen Flüchtlingen in Frankreich und der Schweiz gebildet hatte und 1834 von der Schweiz aus den
vereitelten Savoyerzug zur Befreiung Sardiniens unternahm. Ähnlich bildete sich auf Mazzini's Anregung 1834 ein «Junges Polen» und ein «Neues Deutschland» (später «Junges Deutschland» genannt),
welche drei sich am 15. April 1834 zum «Jungen Europa» vereinigten, mit dem Wahlspruch: «Freiheit, Gleichheit, Humanität.», Ideale der Freimaurer, welcher der Revoluzzer angehörte. Das «Junge
Europa» begann sein Augenmerk auf Stiftung neuer Verbindungen unter den republikanisch Gesinnten anderer Nationen zu richten. Mazzini lebte bis 1836 mit Unterbrüchen in seinem Exil in Grenchen.
So gewährte Pfarrer Gottlieb Rudolf Stähli Ende Mai 1836 dem Verfolgten Giuseppe Mazzini und den Ruffini Brüdern im Evangelisch-reformierten Pfarrhaus Lengnau einen Monat Schutz. Als Mazzini
wieder eine Ausweisung drohte, verliehen die Grenchner Bürger dem Revolutionär und seinen Mitstreitern Giovanni und Agostino Ruffini am 12. Juni 1836 das Bürgerrecht. Als Dank schenkte die
Republikanische Partei Italiens 1954 den Grenchnern das Mazzini-Denkmal. Mazzinis Bürgerrecht wurde jedoch vom grossen Rat für ungültig erklärt. Der Ausgewiesene reiste 1837 nach London weiter.
Das Zimmer, das Mazzini während seinem Aufenthalt im Bachtelenbad als Besuchs- und Besprechungsraum gedient hatte, wurde 1991 als kleines Museum eingerichtet.
Die 1991 eröffnete Giuseppe Mazzini-Gedenkstätte befindet sich im Girardhaus, dem Hauptgebäude des Sonderpädagogischen Zentrums Bachtelen in Grenchen. Träger der
Gedenkstätte ist die Mazzinistiftung.
Die Bewegung «Junges Deutschland»
Das «junge Deutschland», wurde
1833 von Flüchtlingen in Bern, kurz nach dem Savoyer Zug, gebildet. Die Vereinigung gehört zu den radikalsten, da sie schon früh mit dem Gedanken spielte, in Deutschland mit Truppen einzufallen.
Vom jungen Deutschland ging das Steinhölzlifest aus, die Gründung von Handwerkervereinen als Vorstufen des politischen Bundes und schliesslich die Ermordung des preussischen Spions Lessing. An
die Spitze desselben war zuerst in Bern ein Komitee getreten, bestehend aus dem Journalisten Carl Theodor Barth (1805-1837), den Brüdern August Breidenstein (1810-1835) und Friedrich Ludwig
Breidenstein (1808-1893), Franz Stromeyer (1805-1848) und Jurastudent Wilhelm Georg Peters (1812-1881). Im Juni 1834 hatte es zwei Proklamationen in Bern drucken lassen, die eine gerichtet «an
die Unterdrückten Deutschlands», die andere «an die deutschen Soldaten». Vermittelt wurde der Druck dieser Proklamationen durch den Schriftsetzer Roth. Darin wurde von den Soldaten verlangt, sie
sollten ihren Eid brechen.
In den Monaten Mai und Juni 1834 wurden Statuten für die Verbindung entworfen. Diese wurden im Februar 1835 revidiert, und es fand nur in sehr wenigen und nicht wesentlichen Punkten eine
Abänderung statt. Die Statuten zeigten auf, dass sich das junge Deutschland mit den übrigen gleichen Verbindungen sich zum «jungen Europa» vereinigt hatte. Zu den Mitteln zur Ausführung des
Zweckes gehörte auch Gewalt; die Klubs konnten sich bewaffnen. An der Spitze der Verbindung stand ein nach bestimmten Fristen neu zu wählender Ausschuss; er leitet die gemeinsamen Angelegenheiten
der Klubs, deren geringste Mitgliederzahl auf fünf festgesetzt wurde. Der Verrat wurde mit Todesstrafe bedroht, jedes Mitglied war zur Exekution des Urteils verpflichtet. Allerdings wurde niemals
nachgewiesen, dass ein solches Urteil tatsächlich vollstreckt wurde. Beschlossen worden aber ist ein solches Urteil gegen den Journalisten Stromeyer wegen eines Vergehens. August Breidenstein
schrieb an Mazzini, die Vollziehung des Todesurteils gegen Stromeyer werde bald geschehen; er müsse sterben, ehe noch jemand wisse, dass er der Verbindung nicht mehr angehöre. Breidenstein wurde
jedoch aus der Verbindung ausgewiesen, und so blieb das Urteil unvollzogen. Die Aufzunehmenden leisten einen Eidschwur, durch den sie Mitglieder des «Jungen Europa» werden; ein darauf folgendes
Handgelöbnis verpflichtet sie als Mitglieder des jungen Deutschlands. Das junge Deutschland, zu dessen Förderung Mazzini gleich bei seinem Entstehen 1000 Franken gezahlt hatte, gewann in
erheblich an Ausdehnung und Bedeutung.[4]
«Seit Jahren reisen viele deutsche Handwerker in die Schweiz. Einige kamen auf den
Gedanken, diesen Leuten liberale Grundsätze mitzuteilen. So habe ich in Biel einen
Leseverein gestiftet, der oft von 40 bis 50 Handwerkern besucht war»
Ernst Schüler, Präsident des «Jungen Deutschland»
Ernst Schülers gründet In Biel den Handwerkerverein fürs «Junge Deutschland»
Der deutsche Flüchtling und Bieler Gymnasiallehrer Ernst Schüler gründete in Biel 1833 einen deutschen Arbeiterverein, den ersten in der Schweiz. Man nannte ihn «Literarischer Leist». Damit riss
er durch Rekrutierung von Mitgliedern, die einer zukünftigen Arbeiterbewegung angehören sollten, die deutschen Handwerker in einen Strudel politischer Ereignisse. Schüler wurde Präsident des
«Jungen Deutschlands», der gesamten Handwerkervereine und zugleich Kommissar des «Jungen Europa». Ernst Schüler: «Ich bin ein natürliches Mitglied aller Verkündungen, welche zum Zweck haben, die
gegenwärtige Ordnung in Deutschland zu untergraben.» Der Hauptzweck der Verbindung des jungen Deutschland zielt darauf hin, ganz Deutschland in eine einzige unteilbare Republik zu verwandeln,
wozu von sogenannten Klubs die Grundsteine gelegt, und die erforderlichen Vorbereitungen getroffen werden sollten. Sie hatten demzufolge die Gemüter der Handwerker, durch Lesen und Vorbereitung
eigens verfasster Druckschriften, gegen ihre Regierungen aufzureizen, und ihnen die Begriffe von Freiheit, Gleichheit und Humanität beizubringen, die man scheinbar nur in einem jungen Europa
finden konnte.
Das junge Deutschland bemühte sich vor allem, unter den vielen Handwerks-Gesellen, welche zahlreich die Schweiz bewanderten, um für kurz oder lang Arbeit zu finden,
Anhänger und Mitarbeiter zu verschaffen. Ernst Schüler machte in Biel den Anfang. Die Idee funktionierte gut. Zum gleichen Zweck wurden Krankenvereine benutzt oder gestiftet, die bald nachher in
Handwerkervereine oder Lesekränzchen umgestaltete wurden. Verbindungsmitglieder nahmen teil, und die ausschliessende Beschäftigung bestand in dem Vorlesen revolutionärer Schriften und dem
Absingen revolutionärer Lieder. Am meisten verbreitet waren: «der Geächtete», die «junge Schweiz», das «Nordlicht», «die Erklärung der Rechte des Menschen und Bürgers», «die Patrioten und die
Geistlichkeit», «die Volksbibliothek», die Parodie «das Vaterunser neuer Lesart», «das A-B-C-Buch der Freiheit» und das Gedicht «Hundert Handwerker». In jedem der Verse des letztgenannten
Gedichtes, von denen jeder sich an eine einzelne Zunft der Handwerker wendete, wurden diese aufgefordert, ihre Werkzeuge zum Fürstenmord zu brauchen. In Bern allein gehörten ungefähr 400
Handwerker zu solchem Verein, und bei den Zusammenkünften waren in der Regel an die 200 versammelt. Gerichtlichen Aussagen nach hatten diese Vereine an einigen Orten, namentlich in Bern und Biel,
eine feste Organisation. Die Mitglieder waren, nach Art des Männerbundes in Sektionen geteilt, übten sich in Waffen, und erklärten sich bereit in den Kampf zu ziehen. Man wollte 1834 auch die
Bewohner des Schwarzwaldes revolutionieren, war mit vor dem Savoyerzuge angeschafften Waffen versehen, hatte Patronen gemacht. Ein aus Nidau und Biel vom November 1834 datierte, in seinem
Bestimmungsort Frankfurt a. M. eingelangter Brief kündigte einen beabsichtigten Zug nach Deutschland an; in einer Nachschrift heisst es: «Wachet und betet - nein exerziert, und wie die Jungfrauen
stets ihre Lämpchen zur Hand hatten, den Bräutigam würdig zu empfangen, so habt Patronen bei der Hand.»
Über den Zweck der letzten sagte ihr Vorsitzender Ernst Schüler: «Es herrscht schon seit vielen Jahren der Gebrauch, dass viele deutsche Handwerker in die Schweiz reisen. Es kamen daher auch in
der Schweiz einige auf den Gedanken, diesen Leuten liberale Grundsätze mitzuteilen, damit einst, bei ihrer Rückkehr nach Deutschland, die den Fürsten feindlicher Partei verstärkt werde. So habe
ich schon vor einigen Jahren in Biel einen Leseverein gestiftet, der oft von 40 bis 50 Handwerkern besucht war.» Kaum war Ernst Schüler zum Vorstand des Zentral-Ausschusses ernannt worden, als er
den revolutionären Klubs des jungen Deutschland befahl, in allen Städten, wo gleiche Vereine noch nicht existierten, diese sofort einzurichten, und in denselben eine Vorschule des jungen
Deutschland zu haben, woraus Mitglieder rekrutiert werden können. Mehrere solche Lesevereine befanden sich in Bern in Bier- und Weinschenken, Herbergen, Wirtshäuser und in Zünften. In Biel bei
einem gewissen Hildebrand. In Luzern in dem Gasthaus zu den drei Schweizern; in Zürich, Lausanne, Genf, Vivis, La Chaux-de-Fonds und anderen Orten. Für die deutschen Flüchtlinge wurden in den
Klubs politische Lesungen gehalten und das Vorgelesene erklärt und Freiheitslieder gesunden. Zur Errichtung von Lesevereinen und Klubs sendete Schüler Kundschafter aus. Bald hatte das junge
Deutschland 300 Mitglieder, grösstenteils vom Handwerker-Stand. In Frankreich existierten ebenfalls solche Klubs in Nancy, Lyon, Strassburg, Mühlhausen und Pontarlier.
Am 1834 im Steinhölzli bei Bern feierten mehren hundert deutsche Handwerkern am Jahrestage der Julirevolution ein Fest zugunsten des jungen Deutschlands. Dabei wurden die Landesfahnen zerrissen,
eine schwarz-rot-goldene Fahne ausgepflanzt und revolutionäre Lieder gesungen.
Am 18. Mai 1836 schrieb Ernst Schüler in einem Brief: «Es sei ein Geist unter sie gefahren, der zur Tat reifer mache. Am 28. Mai sei Generalversammlung, da werde jeder Klub in Militärordnung
geteilt und müsse exerzieren lernen.» Um diese Zeit fand eine Versammlung der vier Clubs in Zürich statt, um die nach Grenchen Abgeordneten zu wählen. Rauschenblatt nahm daran teil und erbot sich
mit Andern zur Reise nach dem Versammlungsorte, wo die Statuten revidiert und Beschlüsse zu tätigerer Wirksamkeit für den Verbindungszweck gefasst werden sollten. Kurz darauf wurde eine Anzahl
der Zürcher Klubmitglieder verhaftet und die Versammlung in Grenchen im Bachtelenbad wurde eilig abbestellt. Der Zürcher Bürgermeister Hess forderte Solothurn auf, sämtliche Tagungsteilnehmer
gefangenzunehmen und nach Amerika auszuweisen, damit in der Eidgenossenschaft wieder politische Ruhe herrsche. Solothurn schickte 120 Soldaten und 18 Polizisten ins Bachtelenbad in Grenchen, um
Mazzini, die Brüder Ruffini, Harro Harring uns andere zu verhaften. Auch Dr. Josef Girard liess sich verhaften und zog ins Gefängnis. Die Solothurner fanden jedoch keine kompromittierenden
Unterlagen und liessen sie wieder frei. An dem Tag aber, an dem die Versammlung in Grenchen stattfinden sollte, wurde eine solche, auf Ernst Schüler's Veranlassung, in Brügg (Amtsbezirk Nidau)
abgehalten, der dort den Vorsitz führte. Zu den Beschlüssen gehörten, nach dem in Beschlag genommenen Protokoll, neuere von Schüler in Vorschlag gebrachte Statuten, die eine feste fortdauernde
Verbindung des jungen Deutschland mit dem jungen Europa knüpften und die Einübung in den Waffen.
Unter den anwesenden waren:
-Ernst Schüler, Deckname: Robert (auch Bauer genannt), Lehrer am Gymnasium Biel, Mitarbeiter der jungen Schweiz, Mitglied und Präsident der Nationalverbindung des jungen Deutschland.
- Jakob Mühlhäuser, Deckname Harras, aus Bayern, Schriftsetzer in der jungen Schweiz zu Biel.
- Johann Wöhrlen, Deckname Roland, von Nördlingen in Bayern, Bürstenbinder, zu Biel in Arbeit, Mitglied des Zentral-Ausschusses in Biel.
- Johann Georg Klenk, aus dem Württembergischen, Schriftsetzer der jungen Schweiz in Biel.
- Philipp Knopp, von Neustadt in Bayern, Zeugschmiedgesell in Biel, Mitglied des Klubs daselbst.
- Wilhelm Thölke, Deckname Kraft, aus Hannover, Mitglied des Zentral-Ausschusses des jungen Deutschland zu Biel.
- Karl Mathy, von Karlsruhe, Übersetzer der jungen Schweiz in Biel. Mitglied des jungen Deutschland.
- Petersen, aus dem Holsteinischen, Schriftsetzer und Reisender der jungen Schweiz zu Biel.
Das junge Deutschland zählte, ganz abgesehen von seinen zahlreichen Verbündeten in den Kränzchen, gegen 300 Mitglieder in 28 Klubs.
Die Zeitung «Das Junge Deutschland»
Ernst Schüler brachte ab 1836 eine eigene Zeitung unter dem Titel «Das Junge Deutschland» heraus, das mit grösster Wahrscheinlichkeit in Biel gedruckt wurde. Ein Exemplar befindet sich im Generallandesarchiv in Karlsruhe. Schüler vertrat die Ansicht, dass sich die erstrebte Erneuerung in Deutschland nicht auf die äusseren Regierungsformen beschränken dürfe. Wenn der Staat das Eigentum nur gegen kleine Diebe schütze, nicht aber gegen den systematischen Raub der Grossen, dann könnten sich einige wenige mit dem Schweiss der Armen bereichern. Der Bieler Gymnasiallehrer forderte seine Landsleute deshalb auf, nicht nur um geschriebene Verfassungen zu kämpfen, sondern auch nach gesellschaftlichen Verbesserungen zu streben.[3]
Die radikale Bewegung «Die Junge Schweiz»
Das «Junge Europa» brauchte zu seiner Entstehung eine «Junge Schweiz», die am 26. Juli 1835 in Neuveville gegründete wurde. Ihr erster Artikel in den Statuten lautete, dass die junge Schweiz
einen Teil des jungen Europas bilde. Als wesentliche Forderung der Vereinigung wurde die Revision der Bundesverfassung genannt, die von einem durch das Volk gewählten Rat so durchzuführen sei,
dass die Kantone und ihre Einrichtungen weiter bestehen, aber dem allgemeinen Bunde untergeordnet werden sollten. Zwei weitere Artikel erklärten sich gegen jede Einmischung der fremden Mächte in
die inneren Angelegenheiten der Schweiz und verlangten das Asylrecht für alle fremden Verbannten. Zur Erreichung seiner Ziele sollte sich der Verein mit andern Gesellschaften in Beziehung setzen,
die ähnliche Bestrebungen verfolgten.[5] Die Neue Zürcher Zeitung
von 1836 schrieb: «Der beste Kommentar, welcher zu diesen Statuten gefunden werden konnte, liegt in folgendem Schreiben (d. d. Sept. 1835), welches bei einem verhafteten Propagandisten gefunden
wurde. Es lautet im getreuen, wörtlichen Auszug:
I. Das Zentralkomitee der jungen Schweiz (des Nationalvereins) konstituiert sich als provisorische Regierung der Schweiz. Der Kantonalbund von 1815 wird für aufgehoben erklärt, und an seine
Stelle tritt die in der Konstitution bestimmte Staatsform.
11. Die Regierung der Schweiz erlässt unverzüglich einen Aufruf zu den Waffen an die ganze Nation. Über die Organisation der Truppen gelten die unter Kriegsartikel festgesetzten Bestimmungen im
Anhang zur Konstitution.
111. Die Regierung der Schweiz verpflichtet sich, die provisorische Regierung Deutschlands, sobald deren Truppen irgendeine Residenz eines regierenden deutschen Fürsten innehaben, als Regierung
Deutschlands öffentlich anzuerkennen.
IV. Die Regierung der Schweiz wird für die Bildung von Freikorps Sorge tragen, welche mit den schweizerischen Farben (rot und weiss) der Regierung Deutschlands von dem Augenblicke an, in welchem
ihre Anerkennung erfolgt ist, zur Verfügung gestellt werden.
XI. Die Regierungen Deutschlands und der Schweiz empfangen auch ferner ihre Befehle von der Zentralregierung zu Paris, und verpflichten sich, dieselben treulich zu befolgen.
XII. In allen übrigen Punkten bleiben die Bestimmungen der Konstitution in Kraft.»[6]
Das Organ des Verbandes war die zu Propagandazwecken entstandene Zeitung «Die Junge Schweiz - La Jeune Suisse - ein Blatt für Nationalität» und wurde in Biel
gedruckt.
Biel, Zentrum der Revolution
Der älteste deutsche Verein vom Geheimbund «Junges Deutschland» befand sich 1833 in Biel. Die Stadt Biel galt von da an, als eigentlicher Mittelpunkt des Jungen Europa und der Jungen Schweiz. Sie
beherbergte zahlreiche Revolutionäre.
Politische Flüchtlinge geben Schulunterricht
Die Vereinigung «Junges Deutschland» konnte auf die Mitgliedschaft mehrerer Lehrer zählen, die am Bieler Gymnasium angestellt wurden. Zu den ersten gehörte Ernst
Schüler (1807-1881). Der aus Darmstadt stammende Schüler studierte Theologie und Philologie in Giessen und arbeitete danach als Lehrer am Giessener Gymnasium. Nach dem Frankfurter Wachensturm, an
dessen Vorbereitung er beteiligt war, flüchtete Schüler im April 1833 in die Schweiz. 1833 wurde er durch ein Empfehlungsschreiben des in Deutschland geborenen Schriftsteller Heinrich Zschokke
als Lehrer am Gymnasium angestellt wurde. Zschokke und Schüler waren Mitglieder des jungen Deutschland. Ernst Schüler wurde zu einer Schlüsselfigur des «Jungen Europa». Weitere Revolutionäre
kamen nach Biel und wirkten am Gymnasium als Lehrer. Es waren Karl Mathy (1807-1868), Ernst Ludwig Rochholz (1809-1892), Heinrich Hattemer (Lateinlehrer von 1842 bis 1848). Andere sympathisierten
mit den revolutionären Flüchtlingen, wie der Schweizer August Weingart (1797-1878). Christian Grauff, der 1831 zum Rektor gewählt wurde, war ebenfalls ein deutscher Emigrant und Sympathisant des
«Jungen Europa». Das Erziehungsdepartement warnte Grauff, er habe den Schülern wahre Religiosität zu vermitteln, sonst riskiere er seine Anstellung. Einige Schüler vom Bieler Gymnasium wurden
selbst zu Revolutionären, wie etwa Albert Galeer (am Gymnasium von 1829 bis 1831) und der spätere Bundesrat Johann Ulrich Ochsenbein (1811-1890), der in der Bieler Zeitschrift «Die junge Schweiz
- La Jeune Suisse» begeistert Artikel verfasste.
Dias Dufourschulhaus-Ost zur Zeiten der Revolution. Auf das Schulleben des Gymnasiums wirkte die Gefangennahme von Lehrern kontraproduktiv.
Alexander Schöni's «Revolutiossalon»
Der in Biel geborene Politiker Alexander Schöni (1769-1880) war das geistiges Haupt der Bieler Radikalen. Von 1832 bis 1846 war er Grossrat, von 1835 bis 1846
Gerichtspräsident in Biel, 1846 - 1850 Regierungsstatthalter. Als die Polenflüchtlinge in das Gebiet des Kantons Bern kamen, bemühte sich Schöni, für sie einzustehen und er gewährte vielen
weiteren politischen Flüchtlingen Unterkunft. Sein Wohnhaus an der Dufourstrasse 3 (damals Hintergasse) wurde bekannt als «Revolutionssalon» und zum Treffpunkt des «Jungen Europa». Zu Gast waren
u.a. der polnische Hauptmann Buckiewits, Harro Harring alias Paul Kasimirowicz (Deckname Hopfer und Johnes), wichtigster Verbindungsmann zwischen den Bieler Polenführern und Mazzini
[3], Giuseppe Mazzini, Gründer des Jungen Europa und die Brüder
Ruffini.
«La Violette»
Im spätbarocken Wohnhaus «La Violette» oder «Garten» an der Quellgasse 8 (früher Rosiusstrasse) genannt, richtete sich die Familie Gobineau mit ihrem Sohn Arthur im
1. Stock ein. Arthur Gobineau (1816-1882) genoss am Gymnasium den Unterricht in Deutsch und Schweizergeschichte. Später wurde er Diplomat und Rassenforscher [16]. Ab 18. 7.1832 bezogen die Schriftstellerin Mathilde, Gräfin von Reichenbach
(1799-1858) mit Tochter und einem Lehrer aus Sachsen Wohnung im La Violette. Aus ihrem 1858 in Dresden geschriebenen Roman «Zeitspiegel in der Familie» entnehmen wir einen Dialog, die zeigt, dass die Mitglieder vom Jungen
Europa nicht immer einer Meinung wie Mazzini waren und die Pflichten des Eides brachen. Im Roman erzählt ein sich in Biel aufhaltender polnischer Freiheitskämpfer: «Ich bin ein Verbannter.
Entweder bin ich von einem Mitglied des Vereins verraten worden, oder des Zufalls tückisches Spiel hat mich der Regierung als Mitglied des Jungen Europa entdeckt. (…) Eines Tages schlenderte ich
bei der Stadt umgebenen Wallgräben gemächlich dahin, als einer meiner Landsleute, der General Ramorino (Girolamo Ramorino) an mich herantrat (…) Er brachte mir von Mazzini die Weisung, mich
schleunigst nach Genf zu begeben (…) Ich werde Mazzinis Aufforderungen nach Genf zu gehen nicht Folge leisten. (…) Ich habe Grund zu vermuten, dass es hier irgendeinen Angriff unter der Leitung
Ramorinos gibt. Wir Polen verknüpfen mit dem Namen Ramorino eine unglückliche Erinnerung, denn seiner verfehlten Expedition nach der Oberweichsel haben wir den Fall Warschaus und den
unglücklichen Ausgang unseres letzten Freiheitskampfes zuzuschreiben (…) Meine nächste Sorge ist jetzt nur, auf eine Zeit lang spurlos zu verschwinden (…) Gleichen wir Flüchtlinge doch einem
gehetzten Hirsche, der aus tiefen Wunde blutend doch zuletzt erschöpft zusammenbricht.» Auch unser Bieler Gymnasium und die beiden Gymnasiallehrer Weingart und Ernst Schüler erhalten im Roman
einen Platz. Der Ruf des Gymnasiums im Zusammenhang mit dem Jungen Europa waren stadtbekannt. So gab man den Flüchtlingen den Rat: «Weshalb können Sie nicht eine Lehrerstelle am Gymnasium dieser
Stadt suchen.»
1833 wohnte im 1. Stock der Gymnasiallehrer Wilhelm Christian Binder mit seiner Familien und seinen Schwägerinnen. Von Ludwigsburg trat Binder 1831 sein Amt als Lehrer für Deutsch und Geschichte
an. 1833 demissionierte er und wurde zum württembergischen Legationssekretär in Wien ernannt. Sein Nachfolger wurde Ernst Schüler. Binder schrieb 1834 «die Geschichte der Stadt und Landschaft
Biel».[16] Er befasst sich intensiv mit der radikalen Bewegung und
ihre (tragischen) Folgen in dem 1845 erschienen Werk «Geschichte des philosophischen und revolutionären Jahrhunderts.»
Am 20. 9. 1833 bezog Ludwig Lindt (1809-1857), Lehrer am Bieler Gymnasium und Vetter von Jeremias Gotthelf, die frühere Wohnung von Binder.
Vom 18. 6. 1835 bis zum 11. 7. 1836 wohnte Giuseppe Mazzinis Freund Karl Mathy im «La Violette». Später zog er nach Grenchen, schliesslich nach Karlsruhe, wo er die Redaktion der Badischen
Zeitung übernahm. Als in die Wahlen in die badische Abgeordnetenkammer brachten, wurde er Staatsminister.[16]
Die Obergasse
Die Obergasse mit Blick auf das 1875 abgebrochene Obertor. Reproduktion aus Biel Bienne, M. Bouquin, 1980. Foto: W. E. Frehse, um 1870.
Der «Tabakturm» (Rotschettenturm) von Flüchtling Johann Philipp Becker. Treffpunkt der radikalen Bewegung «Junges Deutschland» und «Junges Europa».
Wegen der Teilnahme am Hambacherfest verhaftet und eingekerkert, flüchtete Johann Philipp Becker (1809-1886) in die Schweiz und kam 1839 nach Biel. Hier betrieb er zunächst mit Ernst Schüler einen Wein- und Uhrenhandel und seit 1841 den Handel mit Zigarren. 1842 führt Becker in Biel die Zigarren- und Tabakindustrie ein und kaufte 1846 das Doppelwohnhaus Obergasse 31 mit dem Rotschettenturm, dessen oberer Teil er mit einem hölzernen Aufbau versah zum trocknen der Tabakblätter. Seine Fabrik beschäftigte über 70 Arbeiter, zu einem guten Teil politische Flüchtlinge.[16] Das Haus des Philipp Becker beim Obertor wurde ein Zentrum politischer Aussprache. Wohlberedt unterliess er keine Gelegenheit, sich um das politische Leben zu kümmern. 1846 präsidierte er das Längendorfer Chutzeschiessen, an welchem hauptsächlich politisiert wurde. Er beteiligte sich am Freischarenzug und war im Sonderbundskrieg Stabshauptmann bei seinem Freunde Ulrich Ochsenbein.
Alexander Funk (1806-1871) aus Nidau wohnte an der 0bergasse 16, nicht weit von Becker entfernt. Er führte in dem von ihm erworbenen Hause ein Anwaltsbüro, wurde später Regierungsrat, und als letzter Tagsatzungspräsident unterzeichnete er 1848 die neue Bundesverfassung.
In der Obergasse 14 wohnte der ehemalige Gymnasiumschüler Albert Galeer, Förderer des Grütlivereins.[7]
Das Bieler Revolutionsblatt «Die junge Schweiz - La Jeune Suisse»
Anfangs April 1835 wurde die Zentralleitung der Vereinsausschüsse nach Biel verlegt, das von nun an der geistige Mittelpunkt des revolutionären Vereins bildete. Bereits früher hatten sich die
radikalen Bieler Karl Neuhaus, der spätere Schultheiss, Alexander Schöni, ab 1835 Bieler Gerichtspräsident, Dr. Johann Rudolf Schneider, der spätere Regierungsrat und andere nach der Möglichkeit
der Gründung einer radikalen Zeitung umgesehen. Schöni gewährte in seinem Wohnhaus (dem Revolutionssalon) politischen Flüchtlingen Unterkunft. Ihnen kam Mazzini und Ernst Schüler, der sich mit
einer Beilage von 3000 Franken am Blatt «Die Junge Schweiz» beteiligte, zuvor.[5] Mazzini brauchte für die Verwirklichung seines Ziels, die Schaffung eines freiheitlichen Bundesstaates, eine energische Propaganda. Zu diesem Zweck liess man in Biel in einer
eigenen Druckerei, zu der der Berner Arzt Dr. med. Schneider die Mittel vorgestreckt hatte, eine jeden Mittwoch und Samstag herauskommende Zeitung erscheinen, deren sämtliche Artikel in deutscher
und französischer Sprache veröffentlicht wurden. Das Blatt führte den Doppeltitel «Die junge Schweiz - La Jeune Suisse» und hatte ein grosses Format, wie etwa die Frankfurter
Zeitung.[8] Nach Ernst Schülers Aussage wurde das Blatt auf der
Deputiertenversammlung zu Grenchen am 31. Mai 1935 zum Organ des jungen Europa erhoben. Das Kapital wurde durch Aktien aufgebracht, die sich grösstenteils in den Händen der Mitglieder der jungen
Schweiz befanden. Die Redaktionskommission setzte sich aus angesehenen bernischen Politikern zusammen: Grossrat Luis Grosjean-Gressot, Johann August Weingart, Gymnasiallehrer in Biel und später
Nationalrat, Kaufmann Rossel-Gatschet von Biel, Kaufmann J. J. Lehmann von Nidau, Dr. J. R. Schneider, Arzt in Nidau und Advokat Hubler. Unter ihnen hat besonders der verantwortliche Herausgeber
und Hauptaktionär Dr. Schneider durch die Juragewässerkorrektion und durch die Entsumpfung des Seelands sich Verdienste um seinen Heimatkanton erworben. Er brachte auch nach dem Zusammenbruch der
Zeitung die Druckerei an sich und führte sie in Biel unter seinem Namen weiter.[5]
Die deutschen Prospekte für die Finanzierung des Unternehmens waren in Bern, die französischen in Renan im Berner Jura in der dortigen Druckerei des «Proscrit»
gedruckt worden. Dieser «Proscrit» war eine radikale Zeitung, welche von geflüchteten Neuenburger Republikanern seit 1834 in Renan gedruckt wurde, aber bereits im Frühjahr 1835 infolge eines
verletzenden Artikels von der bernischen Regierung verboten wurde. Der Hauptredakteur dieses «Proscrit Neuchâtelois», der Franzose Garnier, wurde vorübergehend ausgewiesen, während sein Kollege
Dumont in der neuen Druckerei der Jungen Schweiz in Biel angestellt wurde. Es bestanden aber nicht nur äussere, sondern auch innere Zusammenhänge zwischen der in Renan eingehenden und der in Biel
neu gegründeten Zeitung, denn die Abonnenten des «Proscrit» erhielten die Möglichkeit, als Entschädigung für das bezahlte Abonnement die Junge Schweiz zugestellt zu bekommen. Zuerst hatte als
verantwortlicher Redakteur der Jungen Schweiz C. Dumont gezeichnet.[10] Dann wurde Garnier der Redakteur. Die Hauptarbeit am Blatt leistete jedoch der als Übersetzer engagierte deutscher Flüchtling Karl Mathy, der 1868 als badischer
Ministerpräsident starb. Jener schrieb nach seinen eigenen Angaben wöchentlich zwei bis vier Artikel für die Zeitung, und zwar ohne Entgelt.[5]
Die Leitartikel schrieben Mazzini (Abhandlungen über die Patrioten und den Klerus, die Todesstrafe, die Öffentlichkeit in den auswärtigen Angelegenheiten, das
Asylrecht, Unitarier und Föderalisten), die Brüder Ruffini, Melegari, der spätere italienische Minister und Gesandte in der Schweiz, ferner die Brüder Ludwig und Wilhelm Snell, der Waadtländer
Henri Druey, der spätere Bundesrat und andere. Mazzini wahrte die Anonymität; er schrieb als Schweizer, der weder Mitglied der Jungen Schweiz noch des Jungen Europa sei. Andere hatten Decknamen.
Alle Fragen des öffentlichen Lebens, das Staats- und Verfassungsrecht, die Moral- und Rechtsphilosophie, die Volkswirtschaft und der Sozialismus, die Kultur und Religion, wurden darin behandelt.
Besonders hervorzuheben war, das im Verlag der „Jungen Schweiz“ ein Heftchen erschien: Sur la situation des femmes, aus der Feder Karl Mathys, welches eine bessere Schulbildung für Frauen
forderte.
Ihrer Verbreitung widmeten sich die Sektionen der jungen Schweiz und des jungen Deutschlands, die an etwa zwanzig schweizerischen Orten bestanden, ferner der
Geheimbund der französischen Republikaner, mit denen das Comité des jungen Europas im April 1835 in Lausanne ein Kartell eingegangen war. Ferner gab die Gesellschaft der jungen Schweiz noch eine
für die breiten Volkskreise berechnete Zeitschrift, die Volksbibliothek, heraus, deren Redakteur und Hauptmitarbeiter ebenfalls Karl Mathy war und die es hauptsächlich auf die Verbreitung
gemeinnütziger, staatsbürgerlicher und volkswirtschaftlicher Kenntnisse ohne bestimmte politische Färbung abgesehen hatte. Die Ideen Mazzinis wirkten sich auch auf die Arbeiterbewegung. Es darf
als sehr wahrscheinlich betrachtet werden, dass der erste wirkliche Führer dieser Bewegung, Albert Galeer, durch das Blatt Junge Schweiz direkt angeregt und beeinflusst worden war. Zurzeit, als
in Biel die «Junge Schweiz» erschien, war Galeer 18 Jahre alt und besuchte die oberste Gymnasialklasse im Dufourschulhaus.[8] Verbreitet wurde das Blatt ausser durch die Junge Schweiz durch den Geheimbund französischer Republikaner, mit
dem das «Junge Europa» ein Kartell eingegangen war, und durch die an etwa 20 Orten bestehenden Sektionen des «Jungen Deutschland». Nach einem Brief von Ernst Schüler haben mehr als 300 deutsche
Handwerker Aktien für das Blatt gekauft.
Das Ende der «Jungen Schweiz» und des Bieler Gymnasiums
Die Tagsatzung erliess am 11. August 1836 das Konklusum und wies die Flüchtlinge aus. Die Arbeitervereine wurden verboten, mit den Vereinen auch das kämpfende Organ, die «Junge Schweiz».
Redakteure und Setzer wurden verhaftet. Am 23. Juli 1836 unterlag das Organ an den Folgen der europäischen Reaktion. Ernst Schüler wurde mehrere Monate unter Anklage des Hochverrats in
Untersuchungshaft gehalten. Im Abschiedswort kündigte es bald den Tag einer neuen Auferstehung an. In Biel wurde auch 1836 eine Zeitschrift «Das junge Deutschland» herausgegeben. Von dieser ist
nur ein Heft erschienen. In einem Artikel der englischen Zeitung «The Globe» vom 23. August 1836, worin das Memorial der nach England gebrachten 35 deutschen Flüchtlinge an den Sekretär des
englischen Innenministeriums abgedruckt ist, heisst es: «Die erste Nummer der Zeitung junges Deutschland erschien, als wir ins Gefängnis geworfen wurden.»[11] Ab 1836 kam in Biel die «Schweizerische Nationalzeitung» heraus, die aber, weil
allzu radikal, bald wieder verschwand.
Durch das Gesetz über das obere Gymnasium und die Hochschule in Bern vom 14. März 1834 wurde die Stellung des Gymnasiums in Biel nach unten verschoben. Zudem brachten die radikalen Lehrer
brachten das Bieler Gymnasium so herab, dass er nur noch 20 Schüler zählte. Politische Reibereien, Verdächtigungen, Anfeindungen und Verfolgungen, die sich besonders um die politischen
Flüchtlinge und Lehrer Dr. Grauff, Ernst Schüler, Karl Mathy und Ernst Rochholz drehten und in denen auch Fellenberg in Hofwil eine Rolle spielte, beschleunigten den Prozess. Die Verhaftung vom
Komitee der Jungen Schweiz, darunter Schüler, Mathy und Weingart führten dann zum Ende. Durch den Beschluss des Regierungsrats vom 12. September 1836 hörte das Gymnasium auf, zu existieren. An
seiner Stelle trat das Progymnasium.[12] Ernst Schüler durfte als
Lehrer nicht mehr arbeiten. Er wurde am 19. Dezember vom Strafgericht in Biel von der Anklage auf Hochverrat freigesprochen. Das Obergericht bestätigte dieses Urteil. Die Kosten für die
Untersuchungshaft und das Gerichtsverfahren musste er jedoch übernehmen. Als er im folgenden Jahr seine Verteidigungsrede im Druck herausgab, aber mit einer Einleitung versah, die Ausfälle auf
Regierung, Staatanwalt und Untersuchungsrichter enthielt, zog er sich eine Bestrafung wegen Pressevergehen zu.
Buchdruckerei Schneider & Co.
Die Buchdruckerei der verbotenen Zeitung «Jungen Schweiz» wurde umgetauft und nannte sich nun Buchdruckerei Schneider & Co. Dr. Rudolf Schneider betraute August Weingart, nachdem er als
Lehrer für Französisch und Georgrafie am Bieler Gymnasium entlassen wurde, mit der Geschäftsleitung. Mathilde, Gräfin von Reichenbach, schrieb 1859 im Roman «Ein Zeitspiegel in der Familie»
darüber, woher das Flüchtlingsblatt von Johann August Weingart seinen Namen hat: «Friedrich Breitenstein war ein deutscher Flüchtling und Mitbegründer des Vereins des jungen Deutschland in der
Schweiz. Dem Verein lag hauptsächlich daran die Handwerker für sich zu gewinnen, und dieses Anliegen wurde von begeisterten Schweizer Buchdrucker und Schriftsetzer gefördert. Das Zentral-Komitee
besass eine richterliche Gewalt, welche die Macht hatte, Todesurteile zu verhängen. Die Mitgliedschaft wurde durch einen Efeukranz gekennzeichnet. Der Bieler Präsident war Weingart, der im Verein
besonderes Ansehen genoss, da er das Flüchtlingsblatt herausgab, ein Hauptorgan aller politischen Verbindungen in der Schweiz. Josef Mazzini gestaltete es mit. Breitenstein übergab an einem Fest
seinem Tischnachbar Weingart, Lehrer am Gymnasium zu Biel, ein Paket Schriften. ‹Sehen Sie›, sagte Breitenstein, ‹diese poetischen Kleinigkeiten sind mir nach und nach zugeschickt worden von
Männern, von denen einige meine Schicksalsgenossen sind. Ich möchte diese Manuskripte gern unter dem Titel Zeitstimmen drucken lassen.› ‹Wollen Sie mir gefälligst die Manuskripte auf einige Zeit
anvertrauen.› sagte Weingart, ‹sie können mir vielleicht ein willkommenes Material bieten für die Zeitschrift, die ich zu begründen beabsichtige.› ‹Welche Titel gedenken Sie ihr zu geben?›
fragte Breitenstein. ‹Ihnen zu Ehren soll es als Flüchtlingsblatt bekannt werden›, war die Antwort. »
Das Bieler Blatt «Volksbibliothek»
Im Geiste Mazzinis gab die Bieler Druckerei J. R. Schneider ab 1836 die von Karl Mathy (inzwischen Lehrer an der Bezirksschule Grenchen) gegründete Zeitschrift «Volksbibliothek für einen Batzen» heraus. Sie brachte Artikel aus Geographie, Astronomie, Chemie, Gewerbekunde, Volksgesundheitspflege usw. Eine Arbeit, «Der Zehnt wie er war, wie er ist und wie er sein wird» wurde preisgekrönt.
Die «schweizerische Nationalzeitung»
1836 erschien die in der Buchdruckerei J. R. Schneider in Biel gedruckte Zeitung die «schweizerische Nationalzeitung» des Berner Verlegers Berner Peter Weber (Deckname für den aus Zürich
geflüchteten Verleger Heinrich Meyer). Nach dem Eingehen der «Jungen Schweiz» erschien sie zweimal wöchentlich. Motto: «Höret ihr Herren und lasst euch sagen, die Glocke hat Volk
geschlagen.»[16] Der Geist dieser Zeitung schien aber selbst den radikalsten
Bielern zu radikal gewesen zu sein. Leute wie Johannes Römer, Alexander Schöni, Louis Grosjean und Emanuel Schwab protestierten beim Kanton gegen die «unwürdige, jedes edle Gefühl
verletzende Sprache» der «Schweizerischen Nationalzeitung». Verleger Weber fühlte sich in seiner Ehre tief verletzt und erschoss sich. Das war auch das Ende der nur wenige Monate alten
Zeitung.» [18]
Die Fortschritte der Revolution in der Schweiz beschrieb das Berliner politische Wochenblatt 1836 folgendermassen: «Allen Andersdenkenden werden in der Schweiz ein förmlicher
Vertilgungskrieg angekündigt, und vor allem die patriotischen Vereine der ganzen Schweiz aufgefordert, das blühende Jesuiten-Kollegium in Freiburg mit Waffengewalt auszurotten, da es nur
Zwietracht sähe, die Jugend verführe und ein unheilbringendes Gesindel sei. Das Bieler Blatt Volksbibliothek, das Geistliche herabwürdigte, wurde am öffentlichen Markt in Freiburg verbrannt. Am
6. Februar 1836 kündigten die Schweizer Blätter an, dass Abgeordnete des Schweizerischen National-Vereins in Aarberg zusammenkommen sollen, um u. a. einen ganz neuen Staat (die helvetische
Einheit) einzuführen. Es versammelten sich 400 Männer. Johann August Weingart fordert im Namen der jungen Schweiz, dass jedes Mitglied des Nationalvereins sich verpflichtete, bis zur nächsten
Versammlung zwei Rekruten zu werben, deren jeder wieder zwei andere zu werben und zur nächsten Versammlung mitzubringen habe, wodurch zu Einführeng der Rationalität ein bewaffnetes Korps von 3600
Mann entstanden wäre, denn jedes Mitglied sollte dazu noch eine Flinte und 24 scharfe Patronen halten und seine Gedanken im Blatt Junge Schweiz niederlegen.» [13]
1838 verlangte Frankreich die Auslieferung des Prinzen Louis Napoleon, der das schweizerische Staatsbürgerrecht erworben
hatte, woran die Schweiz nicht interessiert war und freiwillige Schützen stellten sich zur Verfügung, diesem Ansinnen entgegenzuwirken. In Biel gründete sich ein Ausschuss, dem August Weingart
angehörte. Ebenfalls gehörten u. a. dazu Gerichtspräsident Alexander Schöni, Hauptmann Louis Grosjean, Johannes Rickly (Lehrer für Latein und Griechisch am Progymnasium Biel), Lehrer Johann
Schlecht, Gemeindeschreiber Ernst Schüler und Alexander Neuhaus. Als Weingarts Geschäft 1841 nach Bern verlegt wurde, nahm es die Firma «Weingart & Cie.» an; es verblieb aber nach wie vor im
Besitz von Dr. Schneider.
Radikale fordern die Ausweisung der Jesuiten
1841 beschloss der Grosse Rat des Kantons Aargau, im Kantonsgebiet die Klöster aufzuheben. Beinahe gleichzeitig entstand eine Bewegung, welche das Ziel verfolgte, die Jesuiten aus der Schweiz
auszuweisen. Der Jesuitenorden war in der Schweiz bereits im 16. Jahrhundert ansässig. Zentrale Aufgabe ist der Einsatz für Glauben und Gerechtigkeit. In Paraguay engagierten sich die Jesuiten
zum Schutz der Indianer, 1631 wendeten sich gegen die Hexenprozesse. In der Schweiz unterstützten sie die Katholiken im Schulwesen. Sie betreuten Kranke, Gefangene und Soldaten. Mazzini und die
Jesuiten verband die gleiche Philosophie, eine Option für die Armen zu sein. Die Radikalen duldeten die Jesuiten als ein Orden der katholischen Kirche nicht und feindeten sie an. Im Wallis
verweigerten die Jesuiten als Reaktion auf die Schmäh Angriffe der «Jungen Schweiz», den Jungschweizern die Beichte und den Zutritt als Taufpate. Sie sprachen einen Bann über die «Junge Schweiz»
aus. Als 1844 beschlossen wurde, 7 Jesuiten zur Übernahme ans Priesterseminar Luzern zu berufen, was durch den 1841 erfolgten Sieg der konservativen Partei möglich geworden war, begann die
Radikalen ein Krieg gegen die Jesuiten.
Zweite Flüchtlingswelle bringt «Die Neue Jurazeitung»
Auch die zweite deutsche Flüchtlingswelle sollte für die Bieler Presse von Bedeutung werden. Der aus Strassburg kommende Journalist und Redaktor Armand Karl Gsell veröffentlichte 1844 in Biel die
radikale «Neue Jurazeitung», dann machte er
sich 1845 mit dem Hinterlassen vieler Schulden heimlich aus dem Staub.[17] Die Zeitung erschien ursprünglich in der Druckerei des aus Nürnberg stammenden Johann Ulrich Offenhäuser, ging dann aber in die Lithografie und Buchdruckerei von Johann Martin
Benz über.
Die Jurazeitung erschien von 1847 bis 1852 in der Buchdruckerei Johann Martin Benz. Sie bezeichnete sich in ihrem Untertitel als «Schweizerisches Volksblatt zur Forderung eines jeden geistigen wie materiellen Fortschrittes».[18] Johann Martin Benz (1815-1882) hatte sich in Genf und Innsbruck zum Lithografen ausgebildet, war seit 1840 Schreib- und Zeichenlehrer am Bieler Progymnasium, gab seine Stelle dort auf und gründete 1847 zusammen mit seinem Bruder Alexander Benz eine Druckerei, die sie in dem von ihnen erworbenen Schädelismatthaus einrichteten und sie den deutschen Flüchtlingen zur Verfügung stellte. In der Druckerei erschienen 1847 Werke von Ernst Schüler (La plus belle Entrée de la Suisse ou Course de Bâle à Bienne à travers le Jura Bernois) und 1948 von Johann Philipp Becker (Die Neutralität nach dem Märchen der Menschenfresser). Im März 1848 berichtete die Zeitung, Karl Mathy ist in Biel, um im Auftrag der Freikorps von Durlach und Heidelberg mit Vorwissen der Regierungsbehörde eine Waffenanleihe zu kontrahieren. Die Anleihe wurde von diesem Blatt empfohlen.
Erster Freischarerzug
An der ordentlichen Sommersitzung 1844 vom Grossen Rat der Republik Bern, fand der Bieler Landammann Eduard Eugen Blösch (1807-1866) der Aargauer Antrag, die Jesuiten zu vertreiben, zuwider: «Von
uns verlangt man zu beschliessen, wir wollen in Freiburg die Gesellschaft der Jesuiten mit Gewalt sprengen und zum Land hinaustreiben. Sind wir befugt dazu? Ich sehe hierin einen Antrag zu einem
der grössten Gewaltakte, welche ein Kanton gegen einen anderen begehen kann. Als ich den Antrag von Aargau erstmals zu Gesicht bekam, fiel mir unverzüglich das Wort eines berühmten französischen
Diplomaten ein: C’est pire qu’un crime, c’est une bètise. Ich bitte Sie um Gotteswillen, diesen Antrag nicht erheblich zu erklären.» 1844 erfolgte der erste Freischarenzug. Man versuchte die
Stadt Luzern zu überrumpeln, in der die Jesuiten ein Asyl gefunden hatten, doch der Angriff misslang. Ein Antijesuiten-Komitee, dessen Mitglied der ehemalige Bieler Gymnasialschüler und spätere
Bundesrat Ulrich Ochsenberg war, hielt im ganzen Land anti jesuitische Versammlungen ab. Als überzeugter Radikaler trat August Weingart als Redner gegen die Jesuiten auf.
Zweiter Freischarerzug
Im Frühjahr 1845 folgte der zweite Freischarenzug. Ulrich Ochsenbein führte den Zug an. Weingart beteiligte sich ebenfalls am zweiten Freischarenzug, der ihn in luzernische Gefangenschaft
brachte. Weingart: «Ich habe meinen Kampfgenossen vorgeschlagen, in allen Gemeinden, die wir passieren werden, den Pfarrer und 8 Vorgesetzte als Geisel mitzunehmen und den Leuten zu erklären,
wenn ihr bei unserem Ein- oder Auszug euch die geringste Feindseligkeit gegen unsere Leute erlaubt, so sind diese 4 Kerle des Todes. Die Seeländer sind zahlreich, mit 3 Nidauer Kanonen angelangt,
Ernst Schüler, Hauptmann Carl Eduard Funk, Major Emanuel Dutoit zu Pferd an der Spitze.» Weingart wurde danach wegen seiner Beteiligung am Freischarenzug in Luzern gefangengenommen.
Der Sonderbundskrieg
Szene vom Sonderbundskrieg 1847.
Als Reaktion auf die beiden Freischarenzüge bildeten die sieben katholischen Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug, Freiburg und Wallis den Sonderbund. Am
20. Juli 1847 hatte die Tagsatzung mehrheitlich beschlossen, der Sonderbund sei als unvereinbar mit dem Bundesvertrag aufgelöst. Diesem Beschluss unterzogen sich aber die Sonderbundskantone unter
der Führung Luzerns nicht. Vom 15. - 18. August 1847, gerade in der Zeit, da die Tagsatzung beisammen war, fand in Biel das Längendorfer Schützenfest statt. Dieses Fest war eine Zusammenkunft der
bernischen, solothurnischen und neuenburgischen Radikalen, die sich hier einfanden, um über die letzten politischen Ereignisse Aussprache zu halten. Am Schützenfest forderten Ernst Schüler,
Alexander Schöni und Grossratspräsident Niggeler (Anhänger der Jungen Schweiz) die Verbannung der in der Schweiz lebenden 268 Jesuiten. Der Sonderbundskrieg, der vom 4. bis 29. November dauerte,
brachte im November 1847 die gewaltsame Vertreibung der Jesuiten aus der gesamten Schweiz. Oberbefehlshaber der eidgenössischen Truppen war Henri Dufour. Das Heer bestand aus 7 Divisionen und
zählte rund 100‘000 Mann ohne Landsturm, dem Sonderbund standen 85‘000 Mann mit dem Landsturm zur Verfügung. General Dufour, der die Weisung erhielt, die Auflösung des Sonderbundes mit
Waffengewalt durchzuführen, war der Auftrag zuwider. Er entschloss sich diesen Bürgerkrieg so schnell wie möglich zu beenden, weshalb er die Sonderbundskantone jeden einzeln von verschiedenen
Seiten her angriff. Bald kapitulierten die Regierungen der Urkantone und der Krieg war inert 25 Tagen beendet worden. Der Sonderbundskrieg mündete in den modernen Bundesstaat von 1848. Die
Jesuiten wurden jedoch weiter bedrängt. Der «Jesuitenartikel» der Bundesverfassung von 1848 «Die Orden der Jesuiten und die ihm affiliierten Gesellschaften dürfen in keinem Teile der Schweiz
Aufnahme finden», sollte die Niederlassungen der Jesuiten für immer fernhalten, und der 1874 angenommene Zusatz: «und es ist ihren Gliedern jede Wirksamkeit in Kirche und Schule untersagt», die
Verbannung vom Schweizer Boden noch verschärfen. Im Aargau, Thurgau wurden die Jesuitenschüler auch von jeder kantonalen Maturitäts- und Staatsprüfung und Staatsanstellung ausgeschlossen. Das
Jesuitenverbot wurde erst 1973 wieder aufgehoben.
Eine neue Bundesverfassung
1848 wurde die neue Bundesverfassung wurde in Biel mit 328 gegen 1 (Johann Philipp Becker) angenommen [21] Im April und September hatten die im Grossherzogtum Baden und in der Pfalz ausgebrochene aufständische Bewegung
eine grosse Anzahl von Flüchtlingen in die Schweiz gebracht. Heinrich Hattemer (von 1824 bis 1848 Lehrer am Bieler Progymnasium) kam mit Johann Philipp Becker den badischen Aufständischen zu
Hilfe, kehrte nach der Niederlage nach Biel zurück und wurde dort verhaftet. Er erhielt vom Amtsgericht Biel 6 Monaten Kantonsverweis.[16] Am August trafen 100 deutsche Flüchtlinge in Biel ein.
Zentralausschuss der Deutschen in der Schweiz
Johann Philipp Becker organisierte 1848 die Deutsche Legion und den Zentralausschuss der Deutschen in der Schweiz. Von Biel aus erliess der Zentralausschuss ein neues Rundschreiben an die
Lokalvereine, um ihre revolutionären Hoffnungen zu beleben. «Zwar sei der erste Versuch zur Gründung einer deutschen Republik nicht gelungen», hiess es darin, «allein man wisse jetzt, dass das
Unternehmen nicht aus Mangel an Teilnahme vonseiten des Volkes, sondern nur aus der schwachen Organisation, an der schlechten Bewaffnung und an der völligen Unkenntnis im Waffengebrauch
gescheitert sei. Daher möchte man alle Anstalten treffen, um den Kräften der in der Schweiz wohnenden Deutschen die höchste Wirksamkeit möglich zu machen, man müsse nun die Reorganisation der
Vereine und der deutschen Legion beginnen.» Das von Becker unterschriebene Rundschreiben vom 27. März 1848, wurde dem davon keine Notiz nehmenden Bundespräsidenten von Seite der Gesandtschaft von
St. Gallen mitgeteilt, weil daraus ja deutlich hervorging, dass von den Deutschen in der Schweiz und namentlich von solchen in Biel, daran gearbeitet werde, sich militärisch zu organisieren, und
dann zu geeigneter Zeit mit den Waffen in der Hand nach Deutschland zu ziehen. [20]
Im selben Jahr gründete er in Biel die bald verbotene Zeitschrift «Die Revolution» und im September mit Hattemer den deutsch-republikanischen Wehrbund «Hilf Dir».
Dieser Verein fabrizierte eine Art Papiergeld, Schuldscheine, rückzahlbar durch die deutsche Republik, die jedoch in der Schweiz keine Abnehmer fanden.
Das neue Bieler Blatt «Die Revolution»
Am Freitag, 1. Dezember 1848 erschien in der Lithografie und Buchdruckerei Johann Martin Benz in Biel als Organ der deutschen Flüchtlinge in der Schweiz die erste
Nummer des Wochenblattes «Die Revolution». Der Mitredakteur Alfred Michel, ein deutscher Flüchtling, wurde durch eine Polizeimassregel aus dem Kanton gewiesen. Mit der zweiten Nummer musste sie
infolge Einschreitens der kantonalen Behörden ihren ursprünglichen Titel ändern in «Die -Evolution», wobei dem Anfangsbuchstaben E jeweils ein Strich vorangesetzt wurde, um an den ursprünglichen
Wortlaut zu erinnern. Die Zeitung war im Untertitel als das Organ der «Gesellschaft Hilf Dir» bezeichnet. Als verantwortlicher Redaktor wirkte Johann Philipp Becker, der sich als deutscher
Flüchtling in Biel niedergelassen hatte. Das in der ersten Nummer veröffentlichte Programm der Zeitung sagt aus: «Die fortschreitende Verschlimmerung der vorläufigen Volksrechte in Deutschland
und anderwärts hat uns bestimmt, einen längst gehegten Plan, die Gründung eines Organs der in der Schweiz und überhaupt in der Fremde wohnenden Demokraten, auszuführen. Der teilweise Sieg der
Reaktion mehrt fortwährend die Zahl derer, die nach den Erfahrungen der Geschichte das Heil der Zukunft, einen sichern Erfolg aller Freiheitsbestrebungen, nur in einem innigeren Anschluss der
freisinnigen Kräfte aller Völker erblicken können.
Diesen Anschluss zu beschleunigen, das Zusammenwirken zu fördern, wird eine der Hauptaufgaben dieses Organs sein, wie es eines der Motive, seiner Gründung ist.
Unsere Hauptaufgaben sind: unerbittlicher Kampf gegen das Fürstentum, seine Repräsentanten und Lakaien. Vernichtung der Pfarrergewalt usw. Die Revolution wird in diesem Sinne ein Organ der ganzen
demokratischen Weltbewegung sein.» Der Zeitung wurde zum Verhängnis, dass sie sich nicht nur durch Worte, sondern auch durch Taten in die deutsche Politik einmischte. Bereits am 26. März 1848,
also noch bevor die Evolution herausgegeben wurde, hatten sich in Biel die Abordnungen der Deutschen aus den verschiedenen Kantonen der Schweiz zusammengefunden und eine Reihe weittragender
Beschlüsse gefasst: «Die in der Schweiz wohnenden Deutschen verteidigen ihre Heimat mit Bewaffnung und militärischer Organisation, dazu bilden je 100 Mann eine Kompanie und je 5 Kompanien ein
Bataillon. Die Streitmacht führt den Namen Deutsche Legion aus der Schweiz. Sitz des Waffendepots und der Legionskasse ist Biel.»[19] Die Anhänger Johann Philipp Beckers und seines Sekretärs Heinrich Hattemer, Lateinlehrer am Bieler Gymnasium,
konnten sich für eine gewisse Zeit unbehelligt, ihre militärischen Übungen dem badischen Aufstand widmen. Dann schritt die Berner Regierung ein. Becker und Hattemer, welche den badischen Feldzug
mitgemacht hatten, wurden verbannt, was zur Folge hatte, dass die Evolution mit ihrer Ausgabe vom 9. März 1849 eingestellt wurde.[19]
1849 galt Biel immer noch als Hauptquartier der deutschen Flüchtlinge, das von Ernst Schüler und Johann Philipp Becker geführt wurde. Die Unterdrückung der Bewegung durch die preussischen Truppen, brachte erneut Flüchtlinge nach Biel und 9‘000 bis 10‘000 in die Schweiz. Die internationalen Beziehungen, die wegen Neuenburg zwischen der Schweiz und Preussen gespannt war, trübten sich nun auch mit den Staaten Süddeutschlands, die sie wegen Missbrauch des Asylrechts beklagten. Dem revolutionären Treiben begann die Berner Regierung nun ein Ende zu bereiten.
Quellen/Sources: 1) Ludwig Suter, Schweizer Geschichte für Schule und Haus, Vierter Zeitraum, Stiftung Pestalozzianum, Einsiedeln 1912, S. 323; - 2) Bieler
Tagblatt, Das Bachtelenbad bei Grenchen und seine Bewohner, Biel, 9. August 1919, S. 4; - 3) Dr. Wilfried Haeberli, Biel als Zentrum der europäischen Emigration 1833-1836, Neues Bieler
Jahrbuch 1964, S.52; - 4) «Das Junge Deutschland» in Leipziger allgemeine Zeitung, Nr. 309, Leipzig, 05.11.1839, S. 3603; - 5) E. Haeflinger, Josef Mazzini und sein Aufenthalt in Grenchen in
Zeitschrift für schweizerische Geschichte, Nr. 4, 1926, S. 499f; - 6) Neue Zürcher Zeitung, 25. Juli 1836, S. 357; - 7) Bq, Biel in der Flüchtlingszeit in Bieler Tagblatt, Biel, 28. August 1965,
S. 3; - 8) Hans Müller, «Der Schweizer Grütliverein und die junge Schweiz» in Wissen und Leben, Nr. 20, 1918, S. 201ff; - 10) Bieler Tagblatt, Nr. 106, Biel, 7. Mai 1936; - 11) L. Stewart, «Die
junge Schweiz» in Rote Revue, Nr. 5, 1935, S. 246f; - 12) Jakob Wyss, Die alten Wohnstätten des Gymnasiums in Biel, Biel, 1920, S. 14; - 13) Berliner politisches Wochenblatt, Nr. 14, Berlin, 3.
4. 1836, S. 82ff; -- 14) Heinrich Leonard, Dr. Georg Fein, «Vorkämpfer der deutschen und schweizerischen Arbeiterbewegung» in Rote Revue, Nr. 11/12, 1932, S. 360; - 15) Rudolf Steiner, 175 Jahre
Gewerbliche Schulen Waldshut, Vom Jura zum Schwarzwald, Blätter für Heimatkunde, Nr. 86, Laufenburg 2012, S. 76; - 16) Werner und Marcus Bourquin, Biel Stadtgeschichtliches Lexikon, Büro Cortesi,
Biel 1999; - 17) Eidgenössische Zeitung, Zürich, 29. Juli 1845, S. 863; - 18) Fritz Probst, Bieler Tagblatt, Biel, 2. Dezember 1989, S. 20; - 19) Werner Bourquin, «Die Bieler Presse» in Bieler
Tagblatt, Biel, 9. Mai 1932, S.4; 20) Anton von Tillier, Geschichte der Eidgenossenschaft während der Zeit des sogenannten Fortschrittes, Band 3, Bern 1855, S. 276f; - 21) Gustav Blösch, Chronik
von Biel von den ältesten Zeiten bis zu Ende 1873, Biel, Buchdr. E. Schüler, 1875.
Postadresse: Altstadtleist Biel, Obergässli 11, 2502 Biel/Bienne. Lokal: Brunngasse 11, Tel. 032 323 42 84,
Öffnungszeiten auf Anfrage
Adresse postale: Guilde de la vieille ville, Ruelle du Haut 11, 2502 Biel/Bienne. Local: Rue des Fontaines 11, Tel: 032 323 42 84.
Heures d'ouverture sur demande.