Das Dufour-Schulhaus / L' école Dufour 1845

Albert Friedrich Haller

Pfarrer Albert Friedrich Haller. Foto: Reproduktion aus Berner Taschenbuch, 1848.
Pfarrer Albert Friedrich Haller. Foto: Reproduktion aus Berner Taschenbuch, 1848.

Albert Friedrich Haller (1813-1882), Pfarrer
Verwaltungsrat-Mitglied vom Progymnasium ab 1845, provisorischer Direktor bis 1847, Lehrer
Fächer: Konfirmandenunterricht

Albert Haller kam am 8. April 1813 in Bern, als der jüngste von drei Kindern des damaligen Stadtbaumeisters Karl Gabriel Haller (1766-1814) und der Marianne Müslin (1872-1842) zur Welt. (1) Marianne war die Tochter David Müslins, des letzten Nachkommens von Wolfgang Musculus (mundartlich: Müslin) (1497-1563), einem Dichter geistlicher Lieder. (2) Als Albert 10 Monate alt war, verlor er seinen Vater am 1. Februar 1814 an Lazaretttyphus. Beim Durchzug der Alliierten durch Bern 1813 hatte er als Stadtbaumeister die Unterbringung der Kranken nötigen Lazarette zu bauen und die auf der Schützenmatte benützten Räumlichkeiten zu erweitern, wobei er in den mit Kranken angefüllten Sälen die nötigen Anordnungen traf. Infolgedessen selbst vom Typhus ergriffen starb er, seine 32-jährige Witwe Marianne mit zwei Söhnen und einer Tochter zurücklassend. Marianne zog nach diesem harten Schlag wieder zu ihrem Vater, in dessen Amtswohnung an der Herrengasse, wo die alleinerziehende Mutter ihre ganze Kraft den Kindern widmete. Im Alter von 8 Jahren verlor Albert Haller am 23. November 1821 seinen Grossvater David Müslin, Pfarrer vom Berner Münster. Er besuchte die Elementarschule, musste aber wegen eines ihn auch später öfter heimsuchenden Augenleidens öfters von der Schule wegbleiben. So wurde er Monate lang in ein dunkles Zimmer verbannt. Die Mutter führte währenddessen das Werkmeister-Geschäft ihres verstorbenen Mannes für 14 Jahre fort. Dabei stand sie zugleich in Kontakt mit einer ganzen Anzahl literarisch hervorragender Personen im In- und Ausland. August Wilhelm Schlegel (1767-1845), der Übersetzer des William Shakespeare, hielt um ihre Hand an, doch sie lehnte ab.[1]

 


Studium in Bern

Haller besuchte in Bern von 1828 bis 1830 die Literarschule, die sogenannte «grüne Schule» am oberen Gymnasium. Er stellt dem damals darin herrschenden Klassensystem kein gutes Zeugnis aus. Hauptsächlich weil darin der Unterricht in den alten Sprachen zerstückelt und unnötig in die Länge gezogen wurde, während Gegenstände wie die deutsche Sprache und die Geschichte ganz unberücksichtigt blieben. 1830 trat Haller an die damals noch bestehende Berner Akademie über und wurde Philologie-Student. Die Anstalt war vor 1834 so eingerichtet, dass ein der Theologie sich widmender Student 3 Jahre in der «Philologie» und 3 Jahre in der «Theologie» zubringen musste. 1831 trat Haller in den Zofingerverein. «Mich hatte die Idee einer freisinnigen Staatsverfassung ergriffen und suchte nun Gleichgesinnte.» In diesem Jahr musste er seine Studien aufgrund seines Augenübels, zeitweise und später auf ärztliche Anordnung ganz aussetzen. Um diese Zeit nicht zu verlieren, wurde er zur Erlernung der französischen Sprache ins Pfarrhaus zu Colombier geschickt. 1832 kehrte er nach Bern zurück.[1]
Professor Romangs Vorlesungen weckte sein Interesse an Philosophie. So trat der 21-Jährige im April 1834 zur Theologie über. Nur ein halbes Jahr blieb Haller in der «Theologie» der alten Akademie. Im November 1834 wurde die neue Universität eröffnet, wo er sich dazu entschloss, den Theologen mit dem Historiker zu vereinen und sich der schweizerischen Kirchengeschichte zu widmen. 1837 schloss er sein Studium ab. Im September des gleichen Jahres wurde er zum Predigtamt ordiniert. 1833 packte ihn das Reisefieber und er unternahm eine Studienreise nach Bonn. 1838 befand er sich für mehrere Wochen in Holland und Belgien.
[2]

 


Die Zeit als Vikar
An der Heiliggeistkirche in Bern wurde ihm eine Vikariatsstelle in Aussicht gestellt. Am Juli 1839 trat Haller sein Amt an. Zur Vertretung des Pfarrers von Radelfingen wurde er vom Erziehungsdepartement dorthin beordert. Während dieser drei Wochen verlobte er sich mit Ida von Greyerz, der Schwester seines Studienfreundes Alfons von Greyerz, die er schon 1836 bei ihrem ersten Besuch in die Schweiz kennengelernt hatte. Für den Augenblick war an eine Heirat nicht zu denken; ein Vikar mit 200 Fr. (alte Währung) Besoldung konnte kein Haus gründen. So kehrte Ida von Greyerz zunächst mit ihrem Vater, einem bayerischen Forstinspektor, nach Bayreuth zurück. 1841 übernahm Albert Haller, bis zu seiner Abreise nach Biel, die Stelle als Lehrer der Geschichte an der damaligen bürgerlichen (später städtischen) Mädchenschule Bern. Am 3. Januar 1842 starb seine Mutter an einer Lungenentzündung. Den Wunsch seiner sterbenden Mutter erfüllend, liess er sich am 4. März 1842 in der Kirche von Bümpliz mit Ida von Greyerz (1820-1913) trauen, mit welcher er über 40 Jahre in glücklicher Ehe zusammenlebte.
[1]

 

Pfarrer in Biel von 1844 bis 1864
Albert Haller entschloss sich auf den Rat von Prof. Lutz, für die Pfarrstelle in Biel zu melden. Am 31. Januar 1844 wurde er in Biel zum zweiten Pfarrer gewählt.  Als Johann Konrad Appenzeller, erster Pfarrer von Biel 1850 verstarb, empfahl der Gemeinderat Haller als dessen Nachfolger. So wurde Haller erster Pfarrer und provisorischer Direktor des Progymnasiums.
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Die Bieler Stadtkirche, in der Albert Haller das Rauchen verbot, im Hintergrund sein Wohnort, das Pfarrhaus im Ring 4.

Zeichnung nach S. Weibel, 1827. Reproduktion aus «Das alte Biel und seine Umgebung», Biel, 1902.

 

Arbeit bot der Job, den Haller in Biel antrat, in Hülle und Fülle. Zur Stadt Biel kamen die drei Landgemeinden Bözingen, Leubringen und Magglingen. Zur eigentlichen amtlichen Tätigkeit kam noch die Teilnahme am Schulwesen der Stadt Biel. Hatte er während seines Vikariates in Bern als Schulkommissar die Landschulen um Bern inspiziert, so wurde er nun in Biel für die Stadtschulen in Anspruch genommen. Er wirkte als Mitglied der bürgerlichen Schulkommission und ebenso, vom Erziehungsdepartement gewählt, ab 1. Januar 1845 als Mitglied des Verwaltungsrates des Progymnasiums oder Collège im Dufourschulhaus. Haller übernahm dort provisorisch Pabsts Stelle als Direktor, bis er am Dezember 1847 seine Entlassung als Direktor eingab, worauf Vikar Güder dieses Amt übernahm.
Einige waren ihm, durch die politischen Umsturzgedanken, die damals in Biel aufblühten, feindlich gestimmt. Im Verein mit seinem jüngeren Amtsbruder und Freund Ed. Güder veranstaltete Haller neben dem sonntäglichen Gottesdienst Bibel- und Missionsstunden. Besonders gern besuchte er mit seinen Kindern das Pfarrhaus in Mett, eine halbe Stunde von Biel, wo fast zu gleicher Zeit mit ihm sein älterer Studienfreund Gottlieb Kuhn als Pfarrer eingezogen war.
Bald wurde er vom Capitel Nidau zum Abgeordneten in die damalige aus Geistlichen bestehende General-Synode und 1852 zum Mitglied der neuen gemischten Kartonsynode und zum Vizedekan gewählt wurde. Die Anfangsjahre von Haller's Tätigkeiten fielen in die politisch-bewegteste Zeit, welche der Kanton Bern durchzumachen hatte, in die Zeit der Freischarenzüge und der Verfassungsrevision von 1846, und was alles darauf folgte. Biel war dank des Einflusses einiger politischer Flüchtlinge deutscher Nationalität ein Hauptquartier revolutionärer Umtriebe einer auf Umsturz der Regierung und Verfassung abzielende Bewegung. Schon der Schluss des Jahres, in welchem Haller nach Biel zog, brachte den ersten Freischarenzug in den Kanton Luzern, an welchem die Radikalen Biels teilnahmen. Ernster gestalteten sich die Umstände mit dem zweiten Freischarenzug im März 1845.
[1]
Biel, unter Vorantritt des Regierungsstatthalters, hatte nicht nur ein Kontingent Bewaffneter, sondern auch zwei bespannte Kanonen, aus dem Schloss Nidau geholt. «Am 31. März,» schrieb Haller, «kamen noch Nachzügler aus dem St. Immertal. Die Stadt war in furchtbarer Aufregung. Doch schon am 2. April kamen Gerüchte von einer Niederlage der Freischaren und dem Rückzug derselben auf Zofingen. Es wurde ein Wagen mit Wein und Lebensmitteln dorthin gesandt, der aber von Solothurn wieder umkehrte, weil alles vorbei und zu Ende war. Vom 3. April an kamen einzelne Freischaren zurück. Aber nicht alle kamen wieder; mehrere sassen gefangen in der Jesuitenkirche in Luzern; einer, ein Hausvater, wurde vermisst und blieb verschollen.»
[1]
Selbst in Biel war die Revolutionspartei etwas niedergeschlagen. Als sie aber sah, dass die Regierung nicht wagte, die Freischaren zur Verantwortung zu ziehen, arbeitete sie auf den Sturz der «Neuhaus-Regierung» hin, der dann im Jahre 1846 erfolgte und in Biel unter Lärm, Kanonendonner und Weinkonsum gefeiert wurde.
Bei der Beerdigung eines an den Folgen des Freischarenzuges verstorbenen Teilnehmers, dem er die Rede zu halten hatte, erschienen dessen Kampfgenossen aus dem ganzen Seeland, mit weissen Binden am Arm. Seine Rede «Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet», missfiel ihnen. Darauf kam eine Abordnung ins Pfarrhaus und verlangte diese Rede, in der Hoffnung, darin einen Anhaltspunkt zur Klage gegen den Pfarrer zu finden.
Schlimmer hätte eine andere Situation ablaufen können, die Haller den Freischaren verdankte. Er hatte im Sommer 1845 die peinliche Aufgabe, in Courtelary, einen Raubmörder «auszukosten» und aufs Schafott zu begleiten. Dann reiste er ans schweizerische Predigerfest nach Zürich und wanderte von da mit einem Kollegen über Malters, das überall an den Häusern noch zahlreiche Kugelspuren trug, durchs Entlebuch bis zum Dorf Flüehli. Dort wurden die beiden Wanderer, die in weissen Reiseblusen wenig pastorenhaft aussahen, mit misstrauischen Blicken verfolgt, von einem Landjäger angehalten, für Freischärlerspione erklärt, vor den Gemeindepräsident geführt und mit dem Rücktransport nach Schüpfheim bedroht. Nach langem Verhör wurden sie, auf die Fürsprache des verständigeren Vizegemeindepräsident hin, entlassen, jedoch mit der bestimmten Weisung, sich schleunigst zu entfernen und nirgends umzusehen oder anzuhalten. Die luzernische Land-Bevölkerung war damals, wegen des wenige Tage vorher an dem Volksmann Leu verübten Mordes, in Aufregung.
[1]
Der Sieg der radikalen Schellpartei in der Annahme der Verfassung von 1846 machte sich in Biel fühlbar. Es bildete sich ein Herd revolutionärer Propaganda, welche nicht nur den Kanton Bern oder die Schweiz, sondern auch das Ausland im Auge hatte. Der in Biel niedergelassene deutsche Flüchtling Johann Philipp Becker gab hier seit 1848 sein Blatt «Die Revolution» heraus, in welchem gewaltsame und blutige Umwälzungen gepredigt wurden. Das konnte nicht ohne Rückwirkung auf die Stimmung in Biel bleiben. Zunächst brachte noch der Sonderbundskrieg manche aufregende Tage, Einquartierung, Truppen-Durchmärsche, militärische Szenen, nicht immer vertrauenerweckender Art. Später, nach der Niederlage der Aufständischen im Grossherzogtum Baden, im Jahre 1849, wimmelte es in Biel von deutschen Flüchtlingen, teils aus dem Beamtenstand, teils Soldaten alter Waffengattungen.
Nur ein kleiner Trupp Konservativer unter Führung von Dr. Blösch (Bruder von Landammann Blösch) trat dem Radikalismus entgegen und fand sich auch an der Münsingerversammlung, am 25. März 1850, auf der Leuenmatte ein. Haller hielt nach seiner politischen Überzeugung auch zu ihnen. Am Tag der Münsingerversammlung aber war er am Krankenbett eines todkranken Kindes, das Dr. Blösch noch am Abend des 24. März für hoffnungslos erklärt hatte. Der Sieg der Konservativen freute ihn und er hoffte nach der Wahl der neuen (konservativen) Regierung, mit so manchen Anderen, es möchte eine bessere Zukunft für das Bernervolk anbrechen. Aber dieser Hoffnung gaben schon die zugunsten der Radikalen Partei ausfallenden Wahlen der Bezirksbeamten noch im selben Jahr einen tüchtigen Stoss, und die Zustände in Biel taten das Übrige, um sie zunichtezumachen.
[1]
Haller erzählt in seinen Erinnerungen aus diesen Tagen: «Merkwürdig war besonders die Vereidigung eines zur Bewachung des Brünigs bestimmten jurassischen Reservebataillons. Als der Fahneneid geschworen werden sollte, rührten sich drei Viertel des Bataillons gar nicht. Sie erhoben weder die Hände, noch schworen sie. Es waren Katholiken, die unwillig gekommen waren.»


Im Visier der Radikalen
Haller widerfuhr keine persönliche Anfechtung oder Beleidigung, wie z. B. Pfarrer Romang, 1850 als Direktor des Gymnasiums nach Biel gekommen, der es auf offener Strasse durch Kinder erlebt hatte. Dennoch war ihm mehr als ein deutliches Anzeichen, was im Dunkeln vorbereitet wurde. Nicht nur waren die Pinten fortwährend gefüllt, es ertönten Nachts auf den Gassen unaufhörlich die radikale Herausforderung «Alls üses!», sowie der zum Parteischibolet gewordene Gassenhauer: «Cin cin rataplan, vivent les rouges à bas les blancs!». Es wurde auf dem Gerechtigkeitsbrunnen in der Burg ein Freiheitsbaum aufgesteckt und mit aufrührerischen Reden eingeweiht, und der Tod von Dr. Knobel benützt, um eine ungeheure Aufregung hervorzurufen. Dieser Tod, offenbar die Folge eines Fehltritts in dunkler Gewitternacht und darauffolgenden unglücklichen Sturz in die Zihl bei Nidau, wurde sofort mit unverkennbarer Absicht zu einem politischen Mord gestempelt und zur Verleumdung der konservativen Partei ausgebeutet.
[1]
In jener Zeit war es, dass eine Kranke in einem armseligen Stübchen, die Haller als Seelsorger öfter besuchte, ihn dringend bat, nicht mehr in das Haus zu kommen. Auf seine verwunderte Frage, weshalb denn, gestand sie, dass sie um seine persönliche Sicherheit fürchte. Unter ihr, erzählte sie, kommen des Abends Männer zusammen, die sich bis spät heftig miteinander berieten, und deren drohende Reden sie durch die dünne Diele deutlich und mit Schrecken vernommen habe. In diesen nächtlichen Versammlungen sei eine Liste derer ausgestellt worden, die «dran müssten», wenn einmal ihre Partei wieder die Macht habe, und auf dieser Liste stehen die beiden Pfarrer obenan. Deshalb bat die geängstigte Kranke den Seelsorger, das Haus zu meiden. Haller suchte sie zu beruhigen und hat sie nach wie vor besucht; dass diese Angaben aber nicht nur Hirngespinste waren, bewies ihm der Ausruf jenes radikalen Schusters, der berauscht von Wein und Fanatismus mit der scharf geschliffenen Axt in der Hand durch die Gassen der Stadt lief und rief: «wo sy die dormer's Aristokraten!» oder das nicht minder laute und nicht unabsichtlich öffentliche Selbstgespräch eines Schindelmachers, der mit einem kleinen Fallbeil seine Schindeln spaltend, im Augenblick, da Haller an ihm vorüberging, rief: «So müssen alle Aristokraten- und Pfaffenköpfe fallen.»
[1]
Haller scheute sich nicht, sein Wort durchzusetzen, auch wo es ihm Unannehmlichkeiten eintragen konnte, was seinen Gegnern imponierte. So kam er eines Tages auf dem Gang in die Kinderlehre am Vennerbrunnen im Ring vorbei, als auf demselben eine rote Fahne aufgesteckt wurde und herausfordernde Rufe von dem Obenstehenden erklangen. Ein andermal war es bei einer der etwas tumultuarischen Wahlversammlungen in der Kirche zu Biel, dass er den Präsidenten bat, doch dem zur Würde des Ortes so gar nicht passenden Rauchen Einhalt zu tun; als die Aufforderung des Präsidenten nur allgemeines Gelächter hervorrief, ergriff er selbst das Wort und bewirkte mit wenigen ernsten Worten ein Verschwinden der Pfeifen und Zigarren. Durch die Fusion von 1854 hatte die radikale Partei teilweise das Regiment in ihre Hand bekommen. Der erlangte Sieg nützte man aus. In Biel, wie bald auch im ganzen Kanton Bern, wurde die radikale Partei die ausschliesslich herrschende. Sie bestimmte in politischen wie in bürgerlichen Verhältnissen Wahlen und Entscheidungen.


Haustüre vom Pfarrhaus Ring 4. Reproduktion aus «Das alte Biel und seine Umgebung», Biel, 1902.
Haustüre vom Pfarrhaus Ring 4. Reproduktion aus «Das alte Biel und seine Umgebung», Biel, 1902.

Pfarrhaus mit 8 Kindern
Auch im Bieler Pfarrhaus ging es turbulent zu. Zu dem ältesten Töchterlein, das ihm schon in Bern geschenkt wurde, kamen in Biel weitere 7 Kinder, die sein Haus mit Leben füllten.
[1] Das Ehepaar hatte 3 Söhne und 5 Töchter. Einer der in Biel geborenen Söhne die das Progymnasium besuchten, war Albert Haller (1846-1932), Pfarrer der Heiliggeistkirche Bern und Hans Haller (1847-1910), Seelsorger der Irrenanstalt Münsingen und Waldau, mit der Bielerin Emilie Lanz verheiratet. Für die Betreuung der Kinder wurde 1844 die 20-jährige Lisette Fankhauser als Dienstmagd angestellt. Sie blieb der Familie Haller-von Greyerz 58 Jahre treu. [3] Im Pfarrhaus versammelte sich allwöchentlich ein Verein von Frauen, welche für die Mission arbeiteten.[1]

 

 

 

 


Die Armenbesucher von Biel
Ebenfalls im Pfarrhaus waren ab und zu die Sitzungen des von Albert Haller 1850 gegründeten „Armenvereins», der als dessen Präsident lange Jahre daran Anteil nahm. Der grossen Arbeitslast, namentlich der ausgedehnten Armen-Korrespondenz, die durch diese Tätigkeit entstand, unterzog er sich gern, obschon er es bedauerte, dadurch an wissenschaftlichen Arbeiten gehindert zu sein.
[1] Albert Haller: «Wer alte Kleidungsstücke, Waschzeug, Schuhe, sowie Bettgegenstände entbehren konnte, wurde gebeten, solche bei einem sogenannten Armenbesucher abzugeben. Auch die kleinsten Gaben wurde mit Dank angenommen.» Der Armen-Verein gab seinen Armenbesuchern folgende Quartiere zur Betreuung:[4]
- Der französische Pfarrer Cunier übernahm die sämtlich im Stadtbezirk wohnenden Arme der französischen Bevölkerung.
- Gerichtspräsident Mürset, die Armen der deutschen Einwohnerschaft vor dem Ober- und Untertor gegen Bözingen, mit Einschluss des Wasens, der Gurzelen, der Champagne, des Siechenhauses, der Rochette, der Lochmühle und des Bifangs.
- Pfarrer Eduard Güder die Ober- und Untergasse, den Ring samt Winkel und Obergässli.
- Dr. med. Joseph Lanz, die Schmiedengasse, die Burg, das Untergässli, die Brodschaal und die Nordseite der Klostergasse samt der Kanalgasse.
- Negoziant Schilling die Klostergasse Südseite, die Schulgasse vom Gymnasium bis zur Schmiedengasse, und die Neuenstadt, Seite gegen die Stadt
- Franz Perregaux die Mühlebrücke, die Neuenstadt, Seite gegen das Land, die Hintergasse, den Pasquart und Häuser ausser der Stadt, die nicht in dem Kreise des Mürset begriffen sind.


Eröffnung der Bieler Suppenanstalt
1854 beschloss Haller mithilfe des Armen-Vereins durch «Sparsuppen», die in einer Anstalt verteilt werden, der zunehmenden Bettelei entgegentreten zu können. Die Anstalt, welche die Suppen gratis verteilte, wurde am Februar 1854 im Erdgeschoss der Stadtkanzlei errichtet und war von 10 Uhr morgens bis 16 Uhr nachmittags geöffnet.


Hilfe für Wehrmänner
1856 ernannte der Gemeinderat eine Kommission, bestehend aus Albert Haller, Kommandant Scholl, Alexander Schöni, Friedrich Ritter, Notar Bichsel, Franz Perregaux und Jakob Köhli, um Lebensmittel, Geld und Kleider für die im Feld stehenden Wehrmänner zu sammeln.
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Unterricht am Progymnasium Biel
Neben den öffentlichen Unterweisungen erteilte Haller im Dufourschulhaus, abwechselnd mit seinen Kollegen, den Schülern des Progymnasiums, besonderen Unterweisungsunterricht. Als einmal der Winterstundenplan so eingerichtet worden war, dass sich darin keine Stunde für den Konfirmandenunterricht finden liess, so erteilte Haller denselben während des ganzen Winterhalbjahrs von 7 bis 8 Uhr Morgens. Dabei zählte er unter diesen Konfirmanden des Collège einen Schüler aus Orpund, der jeden Morgen einen einstündigen Schulweg, oft durch fusshohen Schnee, zu machen hatte, um zu rechter Zeit um 7 Uhr einzutreffen, der jedoch nie fehlte und nie zu spät kam.


Umzug nach Bern
Haller wurde 1864 als Prediger der kleinen Kapelle des Burgerspitals von Bern berufen, worauf Pfarrer Thellung seine Nachfolge übernahm. Die Bieler Gemeindebehörde schenkte Haller zum Dank für sein 20-jähriges Wirken einen silbernen Pokal als Andenken. Bei der Unbequemlichkeit, welche die Trennung von seiner noch in Biel wohnenden Familie und das Wohnen im Burgerspital mit sich brachte, vermisste er das vertraute Bieler Pfarrhaus sehr. Mit der Übersiedlung der ganzen Familie in Hallers väterliches Haus an der Schauplatzgasse, wo er seine Jugendzeit zugebracht, fühlte er sich heimischer und fing an, sich in Bern wieder einzuleben. Die 1866 erfolgte Wahl zum Pfarrer am Münster entsprach jedoch eher seinem Charakter und er führte dieses Amt 13 Jahre aus.
[1]
In die Direktion der Real- und Gewerbeschule, sowie in die Primarschulbehörde berufen, hatte er Gelegenheit, das städtische Schulwesen zu unterstützen. Daneben fand er noch Zeit, sich an den öffentlichen Vorträgen zu beteiligen, die für ein gemischtes Publikum von den Pfarrern der Stadt Bern zu verschiedenen Zeiten veranstaltet wurden. Er wählte sich dazu biografische Stoffe und bearbeitete einmal das Leben des Theologen Wolfgang Muskulus, das andere Mal das Leben seines Grossvaters David Müslin, welches letztere dann auch in etwas weiterer Bearbeitung im Berner Taschenbuch 1857/1872 einen Platz gefunden hatte. (1) In Herzog's theologischer Realenzyklopädie schrieb er ein Artikel über Thomas Wittenbach. Eine Preisarbeit über Nazarener und Ebioniten erschien nicht im Druck. 1979 zwang ihn ein Herzleiden zur frühzeitigen Demission. Am 19. Oktober 1882 starb er an einem Herzschlag.
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Philipp Wilhelm K

     



Quellen/Sources: 1) Pfarrer A. Haller, «Albert Friedrich Haller - Ein Lebensbild», Berner Taschenbuch, Bern 1884, S. 1ff; - 2) M. Haller, Sammlung bernischer Biografien, Band 5, Bern 1906, S. 571ff; -  3) Heinz Fankhauser, «Erinnerungen an 2 Mägde in Bern und Burgdorf» in Burgdorfer Jahrbuch 2019, S. 58f); - 4) Seeländer Bote, Biel, 14. Mai 1850, S. 4); - 5) Gustav Blösch, Chronik von Biel von den ältesten Zeiten bis zu Ende 1873 Chronik, Biel 1875, S. 236ff