100 Jahre Altstadtleist / 100 ANS GUILDE DE LA VIEILLE VILLE DE BIENNE (1915 - 2015)

100 Jahre Altstadtleist - Geschichte und Ausblick

 

Leist (Freundeskreis) bezeichnet in Bern spätestens seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert einen geschlossenen Freundeskreis von Männern ( Wikipedia). Beziehen wir das auf den Altstadtleist Biel mit den sogenannten Picknicks kann man dieser Meinung sein, denn jährlich trafen sich die Herren Geschäftsbesitzer der Bieler Altstadt zum gemütlichen Beisammensein auf den Jurahöhen. Beim Kleinkaliberschiessen wurde der Schützenmeister erkoren. Dem Sieger für Geschicklichkeits spiele und Wissen über die Bieler Altstadt wurde der zweite kleine Wanderpreispokal übergeben. Der Punktesieger aus beiden Kategorien durfte dann den grossen Wanderpreispokal für ein Jahr entgegennehmen. Die Feldpredigt (Pfr. Edwin Helbling) und das Mittagessen rundeten den Tag ab. Es gab aber auch Gespräche über die Zukunft des Altstadtleistes. Das letzte Leistpicknick wurde 1977 durchgeführt.

 

Die Altstadtleistfrauen haben viel zum Wohle bedürftiger und alter Altstadtbewohner beigetragen. Fleissige Hände brachten Handarbeiten (Socken und vieles mehr) zustande, welche dann an der Altstadtchilbi verkauft wurden. Mit dem Erlös wurde eine Altleuteausfahrt organisiert oder bedürftige Altstadtbewohner mit Lebensmitteln unterstützt. Die Präsidentin der Altstadtfrauen, Frau Anna Guldimann war auch Vorstandsmitglied/Kassierin im Altstadtleist. Leider hat sich im Laufe der Zeit mit der Überalterung der Teilnehmerinnen diese Institution aufgelöst.

 

Was war die Motivation für die Gründung des Altstadtleistes Biel?

Im Dokument vom 22. Mai 1915 des Leistpräsidenten Eduard Amsler (Im Amt von 1915 - 1937) verfasst, steht geschrieben: „Die Tatsache, dass in den letzten Jahren die Altstadt nicht nur keine Fortschritte gemacht hat, sondern gegenteils ihr noch Verkehr entzogen wurde, ohne dass dafür zwingende Gründe vorlagen, verlangt dringend einen Zusammenschluss der Altstädter zur Wahrung ihrer gefährdeten wirtschaftlichen Interessen. Zu diesem Zwecke wurde kürzlich ein ALTSTADTLEIST gegründet, dessen Aufgabe es ist, der bestehenden Gefahr einer weiteren wirtschaftlichen Schwächung der Altstadt mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten und geeignete Massnahmen zu treffen, die der Förderung und Entwicklung dieses bedrohten Stadtteiles dienen.“

 

Das damalige Tätigkeitsprogramm sah folgende Schwerpunkte vor:

 - Verbesserung der allgemeinen Verkehrsverhältnisse (Strassenkorrektionen- und Beleuchtung)

- Erhaltung des Verkehrs (Wochenmarkt, Klauser, Postgebäude, Technikum etc)

- Erhaltung historischer Gebäude (Alte Krone)

- Sanierung unhaltbarer Zustände baulicher Natur etc.

- Zur Bestreitung der Druck-Inserations- und sonstigen Spesen ist in den Statuten ein Jahresbeitrag von Fr. 2.00 pro Mitglied vorgesehen.

 

Als Inspiration dieser Ziele dienten die bereits gemachten Erfahrungen des Neuquartierleistes (1880 gegründet) mit der Überbauung am Brunnenplatz; der Ostquartierleist (1913), der aufgrund des gemeinsamen Vorgehens zu einer Post und zu einer Kanalisation kam, sowie der Rebbergleist (1913 gegründet) zur Wasserversorgung.

 

BIWO 1933 - 1936 Genossenschaft Bieler Woche

Zwei Ehrenmitglieder des Altstadtleistes unterstützten die BIWO. Architekt und Technikums-Direktor Hans Schöchlin war der Projektchef, Architekt Eduard Lanz beaufsichtigte die Umbauarbeiten. Die Gewerbeausstellungen 1933 und 1934 beim Neumarktschulhaus und in der neuen Turnhalle wurden 1935/36 vom Projekt „Renovation Häuser-Fassaden“ abgelöst. Dank der BIWO wurden in der Bieler Altstadt und in einigen Seegemeinden 146 Fassaden ganz und 67 Fassaden teilweise renoviert. Unterstützt wurden diese Arbeiten mit Subventionen von Bund, Kanton und Gemeinden. Für die Hälfte der Baukosten mussten die Liegenschaftsbesitzer aufkommen. Bei den Abschluss feierlichkeiten vom 2./4. und 6. September 1935 wurde ein Freilichtspiel „Der Bieler Ring“ und ein Unterhaltungsprogramm geboten. Am 4. September hat die erste Altstadt-Chilbi auf der Burg stattgefunden.

 

Armbrustschiesanlage an der Schützengasse unterhalb der Leubringenbahn. Unter der langjährigen Amtszeit von Präsident/Ehrenpräsident Fritz Schänzli hat der Leist 1950/51 das Schützenhaus und die Scheibenanlage gebaut. Diese Anlage hat der Leist 1956 den Armbrustschützen Biel verkauft. Das Land bleibt im Baurecht der Stadt Biel.

 

Renovation Durchgänge und Lauben 1972

Am 28. Juni 1972 luden der damalige Präsident/Ehrenpräsident des Leistes Paul Lüthi und Ehrenmitglied Architekt Henri Dubuis die Behörden/Arbeiter/Hausbesitzer zu einer kleinen Feier ein. Es war der krönende Abschluss der Renovationsarbeiten der Durchgänge Gerbergasse/Untergasse und Obergasse/Untergasse sowie der Lauben an der Obergasse. Finanziert wurde dieses Projekt durch den Kanton Bern, die Gemeinde Biel sowie den Hausbesitzern und Altstadtleist.

 

Der Altstadtleist und das Altstadtleisthaus, Untergasse 19

Unter der Präsidialzeit von Theo Griner konnte der Leist das stark renovationsbedürftige Haus übernehmen. Ehrenpräsident Griner und Ehrenmitglied Henri Dubuis bauten das Haus um. Leider musste der Leist sein „Schmuckstück“ verkaufen, es drohte die Zwangsversteigerung.

 

Der Altstadtleist und die Leiststube/Altstadtleist-Archiv

 

Die Leiststube befindet sich heute mietweise im Haus Brunngasse 11. Dort versammeln sich die Vorstandsmitglieder zu den Leistsitzungen, ebenfalls trifft sich der Vorstand der Bourgkonzerte und der Vorstand des Handwerkermärit zu ihren Sitzungen.

 

Das Altstadtleist-Archiv in der Leiststube

 

Was für Unterlagen befinden sich in den 336 Ordnern und 32 Hängemappen? Zwei Ordner sind für den Leist besonders wertvoll, es handelt sich um die Geschichte der BIWO 1933 - 1936. Ehrenmitglied Hans Schöchlin hat am 26.04.1977 seine BIWO-Akten dem Altstadtleist Biel, vertreten durch Heinz Strobel zur sorgfältigen Aufbewahrung übergeben. Somit begann die systematische Aufbewahrung von Akten. Das Altstadtleist-Archiv war geboren. Unterteilt ist das gesamte Material in drei Kategorien:

- Leistjahre Es sind Akten über das Vereinsleben des Leistes: Statuten, Protokolle, Abrechnungen; Schreiben des Leistes an den Gemeinderat der Stadt Biel betreffend die Strassenbeleuchtung, Pflästerung von Strassen und Plätzen, Verkehrsprobleme, Nachtlärm, usw. Baueinsprachen, zum Beispiel gegen den Bau von zwei Wohnhäusern im sogenannten Stadtgraben bei der Schützengasse. Heute befindet sich dort der Armbrustschützenstand; Neubau Haus Untergasse 45, Überbauung Gassmann-Areal. Einsprachen bei Gastgewerbepublikationen (Nachtlärm).

 - A) Altstadt Jede Gasse hat einen Ordner, unterteilt in Haus-Nummern. z.B. Ring 8, ehemaliges Zunfthaus zu Waldleuten, Obergasse 1: Alte Krone usw.

 - B) Stadt Biel Strassen und Häuser in der Innenstadt; die Quartiere Bözingen, Madretsch, Mett, Vingelz; Autobahn A 5, Agglolac, Tissot-Arena usw.

 Weitere Themen sind: Quartierleiste von Biel, Firmen: z.B. Energie Service; Organisationen, Vereine und Verbände: z.B. Bieler Braderie, Faschingszunft Biel, Tourismus Biel Seeland, Museen: Neues Museum Biel, Kunstmuseum Centre PasquArt, Museum Omega, Centre Müller-Maschinenmuseum; Kulturanlässe jeglicher Art, die Stadtverwaltung mit den Direktionen; Stadtrat, Gemeinderat usw. Bei den Kategorien A und B handelt es sich um Ausschnitte aus der Tageszeitung, den Wochenzeitungen, aus Jahrbüchern, Katalogen, Flyern.

 

Der Altstadtleist als Organisator und Mitorganisator von Anlässen und Festen

 Als Organisator: Heute organisiert der Leist noch die Altstadtchilbi. In früheren Zeiten waren es: Lottomatchs, Ramsabende, die Picknicks. Bereits 1973 wollte der Leistvorstand den Klausermarkt abschaffen, mit grossem Personaleinsatz und finanziellen Einbussen konnte der Klausermarkt bis zum Jahr 2013 fortgesetzt werden. Als Mitorganisator: Das Eidg. Schützenfest 1958, das Bernisch-Kantonale Jodlerfest 2006, die Maibowlenfeste der Altstadtwirte, einen Lichtbildervortrag über die Bieler Altstadt.

 

Die Ausstellungen während der Altstadtchilbi

Der Leist wollte den Chilbibesuchern nicht nur den Markt, Essen und Trinken bieten. Unter Ehrenmitglied Eduard Lanz fanden 1954, 1956 1964 und 1965 Ausstellungen zum Thema Bieler Altstadt und Römerquelle statt. 29 Ausstellungen hat Ehrenpräsident Paul Lüthi organisiert. Der grösste Teil der Themen betraf die Bieler Altstadt. Einbezogen wurden die Bieler Künstler: Historiker, Fotografen, Schülerinnen und Schüler, Handwerker und Geschäftsbesitzer aus der Bieler Altstadt, der Aargauer-Verein, und der Verkehrsverein (heute Tourismus Biel Seeland). Drei Ausstellungen möchten wir hervorheben:

- Heiteres und Besinnliches aus der Bieler Chronik von Gustav Blösch 1875, Texte frei illustriert von Heinz-Peter Kohler.

- Bieler Strassennamen; Kurzbiographien über Personen nach welchen Strassen in Biel benannt wurden. Zusammengestellt von Sohn Marcus Bourquin aus Archivarbeiten von Vater Werner Bourquin.

- Postkarten ALT BIEL. Je 250 Postkarten wurden in den Ausstellungen 1969 und 1975 ausgestellt. Den fragenden Besuchern konnte jeweils die passende Antwort gegeben werden.

Beispiel: Wo stand der Alte (zweite) Bahnhof von Biel, wo stand die Tonhalle. Im Leist-Souvenirshop sind heute noch Postkarten/Büchlein über die drei Ausstellungen erhältlich.

Zwanzig Ausstellungen organisierte die Schule für Gestaltung Bern und Biel in Biel. In der Regel waren die Ausstellungsthemen auf die Schule, die Schüler und Lehrer bezogen. Dabei zeigte sich eine grosse Kreativität der jungen Leute. Das Ausstellungsgut konnte käuflich erworben werden, der Erlös ging in den Lernenden-Fonds zugunsten von Arbeitswochen oder kulturellen Exkursionen. Die Ausstellung 2015 war der Altstadt gewidmet. Unter dem Motto ALTSTADT EXHIBITION Illustration und Fotografie machten sich die Schüler Gedanken über die Bieler Altstadt. Der Altstadtleist liess in 34 Bildtafeln die letzten 100 Jahre Revue passieren.

 

Der Altstadtleist und das Internet

Ehrenpräsident Theo Griner führte den Leist in das EDV- und Internet-Zeitalter und stellt die Stadtgeschichte und Sehenswürdigkeiten der Bieler Altstadt vor. Werben können die Geschäftsbesitzer und Altstadt-Restaurants unter Gewerbe/Gastro. Weitere Informationen z.B. News, Events/Märkte, Chilbi, Verlag & Souvenirshop, Altstadtkeller/Saal zum mieten, wie erreiche ich die Altstadt können eingesehen werden.

 

100 Jahre Altstadtleist Biel Tag des offenen Denkmals, 14. Juni 2015

Der "Tag des offenen Denkmals" wurde vom Altstadtleist lanciert, der sein 100jähriges Bestehen feierte. An diesem sonnigen Sonntag waren die Geschäfte, Läden und Keller geöffnet, so dass eine Erlebnisführung den Besuchern der Altstadt sowohl den architektonischen, kulturellen und auch den gewerblichen Aspekt näher bringen konnte. Altstadtleist-Präsident René Schlauri, Fred Greder der Bieler Bourgkonzerte sowie Kulturdirektor Cédric Némitz begrüssten die Besucher auf dem Burgplatz. Für musikalische Unterhaltung sorgte das Posaunen-Quartett Slobone, organisiert durch den Verein Bieler Bourgkonzerte und das Jazz-Konzert der Bieler Gruppe DixieOnAir, organisiert durch den SCAT Club. Die im Altstadtleistlokal von Archivar Heinz Strobel gepflegte einzigartige Sammlung rund um das Thema Altstadt, war für diesen speziellen Event für alle Besucher zugänglich. Die Zusammenarbeit mit den Altstadt-Unternehmungen war ausgezeichnet. Es ist uns ein Bestreben, diese Kontakte auch künftig in diesem Sinne weiter zu pflegen.

 

Ausblick

Der Vorstand arbeitet 100% benevol, ein französischsprachiges bilingues Mitglied würde viele Arbeiten erleichtern (altstadtleist.biel@bluewin.ch). Diverse Vorstandsmitglieder sind in anderen Altstadtgremien vertreten, z.B. im Verein Bieler Bourgkonzerte, der Balade de Noël, sie unterstützen Kulturkreise und Museen. Der Verein finanziert sich selbst.

- Die Themen sind noch mehr oder weniger die gleichen, doch bezüglich Verkehr wird dieser etwas differenzierter betrachtet.

- Das Thema Altstadtbelebung hat heute eine grössere Dimension erreicht. Mit 70% Wohnanteil und durchwegs Klein- bis Kleinstgewerbe, stehen oft verschiedene Interessengruppen von behaglichem Wohnen und wirtschaftlichem Erfolg zwischen Erholung und Fun diametral gegenüber.

- Das ist dieses Spannungsfeld, welches das Arbeiten in diesem Umfeld interessant und anspruchsvoll macht.

Der Bieler Altstadtleist hat dank der guten Vernetzung zwischen den verschiedenstenInteressengruppen und den Behörden zum Wohle der Bieler Altstadt 100 Jahre überlebt und ist bemüht, noch weitere Jahrzehnte anzuhängen, natürlich immer zum Wohl und im Geist zur Belebung der Bieler Altstadt, der schönsten Schweizer Altstadt!